Rechte Parteien in Europa

AfD wird für Le Pen zum lästigen Wadenbeißer

Eigentlich wollten die deutschen Rechtsaußen Wladimir Putins Annektierung des Donbass gutheißen. Dabei trat die AfD versehentlich der französischen Rechten ans Bein.

Rechte Parteichefs: Marine Le Pen (RN) und Tino Chrupalla (AfD)

© IMAGO/GlobalImagens/IMAGO/Paulo Spranger

Rechte Parteichefs: Marine Le Pen (RN) und Tino Chrupalla (AfD)

Von Stefan Brändle

Die AfD gibt derzeit eine skurrile und zugleich bösartige Politikposse, die den Überfall Russlands auf die Ukraine zur Bagatelle herunterspielt. Darin beharken sich die AfD und der französische „Rassemblement National“ (RN) – eigentlich zwei Parteien, die im Europaparlament in der gleichen Fraktion sitzen, sich aber derzeit ständig in die Wolle kriegen.

Den deutschen Rechten scheint jeder Anlass recht – wie etwa die Insel Mayotte, von der bis dahin wohl nicht mal alle AfD-Mitglieder gehört haben dürften. Dennoch verlangte die Rechtspartei im Bundestag eine Klärung der deutschen Position zum Statut dieser französischen Insel im Indischen Ozean. Sprecher Matthias Mossdorf wünschte, dass die Bundesregierung zu den diversen Resolutionen der Uno-Generalversammlung Stellung nehme, „denen zufolge Frankreich die Inselgruppe Mayotte an die Union der Komoren zurückgeben muss“.

AfD soll sich um Deutschland kümmern

Frankreich hatte Mayotte Mitte des 19. Jahrhunderts vom Sultan des benachbarten Archipels der Komoren gegen eine Finanzleistung übernommen. Nach der Kolonialzeit bestätigten die Einwohner in den Jahren 1974, 1976 und 2009 in drei Volksabstimmungen die Zugehörigkeit zu Frankreich. Die Insel ist 376 Quadratkilometer groß und zählt 310 000 Einwohner. Die illegale Einwanderung aus ärmeren Komoren-Inseln sorgt für einen starken Migrationsdruck. Wohl deshalb erzielt Marine Le Pen bei Wahlen in dem französischen Departement regelmäßig Spitzenwerte von über 50 Prozent.

Am Wochenende besuchte die RN-Politikerin Mayotte im Zuge ihrer Kampagne für die nahenden Europawahlen. Als sie vernahm, dass die AfD die Zugehörigkeit Mayottes zu Frankreich in Frage stellt, reagierte sie erbost: „Diese Partei täte besser daran, sich um die Probleme Deutschlands zu kümmern. Ich werde ihnen die Gründe erklären, warum die Bewohner von Mayotte dreimal ihren Wunsch, Franzosen zu sein, ausgedrückt haben“, sagte sie vor Journalisten.

AfD-Sprecher Mossdorf reagierte überrascht: „Dass das dem RN aufstößt, konnte hier keine ahnen.“ Den Fall von Mayotte habe man nur aufgebracht, um die „deutschen Doppelstandards“ in Sachen Völkerrecht bloßzulegen: Berlin erkenne die Referenden Frankreichs in Mayotte an, weise aber das Resultat der Referenden in der russisch annektierten Ostukraine zurück. Der AfD geht es im Kern also um die Verteidigung der russischen Annektierungspolitik. Auf die Idee, die Lage einer ostafrikanischen Insel mit dem ukrainischen Donbass zu vergleichen, muss man aber erst mal kommen! Zumal die Wahlen auf Mayotte damals nicht manipuliert waren wie jüngst in der russisch besetzten Ostukraine.

Lästereien an der Basis

Es ist zwar richtig, dass vor einem halben Jahrhundert mehrere Uno-Resolutionen die Rückgabe der wirtschaftlich reichsten Insel an die Komoren verlangt hatten. Die Sache ist aber längst eingeschlafen.

Der AfD-Vergleich zwischen Mayotte erscheint also gleich in mehrfacher Hinsicht absurd. Wirkung hat er einzig bei der französischen Schwesterpartei RN gezeigt. Diese nämlich fühlte sich in ihren Großmachtfantasien für Afrika verletzt.

Aber Le Pen betrachtet die AfD inzwischen ohnehin nur noch als Klotz am Bein für ihre präsidialen Ambitionen. Die gemeinsame Fraktion „Identität und Demokratie“ dürfte die Europawahlen deshalb wohl kaum überleben – oder bestenfalls dann, wenn sich die deutsche Partei Le Pen unterordnet. Das ist allerdings keine Option für die AfD-Basis, in der man sich derzeit offen und beherzt über die „Arroganz“ der französischen Politikerin auslässt. Die Nationalisten machen es sich gegenseitig nicht gerade leicht.

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Erstellt:
22. April 2024, 16:42 Uhr

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