Auch Frau Nopper hat ein Dirndl aus dem Westen

Eigentlich ist Brenda Figueroa-Schreck Tangotänzerin – nun schneidert sie Dirndl. Ein Besuch in ihrem Atelier in der Bismarckstraße.

Brenda Figueroa-Schreck in ihrem Atelier in der BismarckstraßeBrenda Figueroa-Schreck in ihrem Atelier in der Bismarckstraße.

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Brenda Figueroa-Schreck in ihrem Atelier in der BismarckstraßeBrenda Figueroa-Schreck in ihrem Atelier in der Bismarckstraße.

Von Theresa Schäfer

Stuttgart - Sissi ist beim Nähen immer dabei. Fotos ihrer Katze hängen über Brenda Figueroa-Schrecks Nähtisch. Der rote Stubentiger war auch die Inspiration für den Namen ihres Labels: „Sissi von West“. „Ich wollte Dirndl mit Stadt verbinden – der Name beinhaltet beides“, sagt die 53-Jährige. Seit einem guten halben Jahr hat die gebürtige Argentinierin ihr Atelier in der Bismarckstraße 47. Die Räume teilt sie sich mit anderen Kreativen – einem Schmuckdesigner und einem kleinen Label, das handgefärbte Kleidung und Wohnaccessoires herstellt.

Eigentlich ist Figueroa-Schreck professionelle Tangotänzerin und kommt aus Buenos Aires. Die Liebe zu einem Deutschen brachte sie vor 20 Jahren nach Stuttgart. 2003 eröffnete sie eine Salsabar, die Bar Sur, im Marquardtbau in der Bolzstraße. Fünf Jahre lang wurde hier das Tanzbein geschwungen. Ihre Tangokostüme schneiderte sich die elegante Argentinierin schon immer selbst.

Seit 14 Jahren tanzt sie nur noch zum Vergnügen, vor drei Jahren kam Figueroa-Schreck auf die Idee, ihre Freude am Nähen zum Beruf zu machen. „Am Anfang habe ich für mich ein Dirndl genäht und nach und nach alle meine Freundinnen mit meinen Entwürfen ausgestattet“, erinnert sich die 53-Jährige mit den rabenschwarzen Haaren und dem knallroten Lippenstift, die sich an diesem Vormittag in einem tannengrünen Samtdirndl grazil durch die hellen Räume des Eckladens im Stuttgarter Westen bewegt.

Ein eigenes Label samt Atelier? Das war der Traum, der aber während der Coronapandemie schwer umzusetzen war. Als sie vergangenes Jahr im Schaufenster der Bismarckstraße 47 einen Zettel sah, auf dem die Ateliergemeinschaft nach neuen Mitstreitern suchte, zögerte sie nur kurz: „Mir hat die Lage mitten im Westen gefallen und die Leute.“ Inzwischen beschäftigt sie noch eine Schneiderin, und eine Freundin hilft ihr im Büro und bei der Buchhaltung.

Warum sich eine Argentinierin ausgerechnet dem Dirndl verschreibt? „Ich finde Dirndl einfach sehr kleidsam: Sie machen Frauen so schön weiblich.“ Die „Sissi von West“-Dirndl bestehen immer aus einem Mieder, einem Rock und einer Schürze. So können die Teile auch separat getragen werden, das Mieder zur Jeans zum Beispiel oder der Rock zu T-Shirt oder Bluse. Das mache die Dirndl alltagstauglich, sagt die 53-Jährige. „Ich fand das immer schade, dass Dirndl zwei Mal im Jahr getragen werden – auf dem Volksfest und auf dem Frühlingsfest – und sonst nur im Schrank hängen.“

Zu ihren Kundinnen gehört auch Gudrun Weichselgartner-Nopper. Die Frau des Stuttgarter Oberbürgermeisters trug auf dem Cannstatter Volksfest im vergangenen September ein rotgeblümtes „Sissi von West“-Dirndl. Brenda Figueroa-Schreck schneidert ihre Dirndl nach Maß. Etwa zwei Wochen muss eine Kundin einplanen, bis sie ihr fertiges „Gwand“, wie unsere bayerischen Nachbarn sagen würden, mit nach Hause nehmen kann. Der Preis für ein Dirndl geht bei rund 400 Euro los. „Nach oben gibt’s praktisch keine Grenze – es kommt ganz stark auf den Stoff an, der verarbeitet wird.“ Besonders aufwendig gemacht sind Figueroa-Schrecks Hochzeitsdirndl.

Die Entwürfe sind eher schlicht, mit wenig Chichi. „Ein Dirndl kann auch schnell verkleidet aussehen – das wollte ich auf keinen Fall“, betont sie. Dafür setzt Figueroa-Schreck auf starke, fröhliche Farben und Stoffe wie Seide oder Samt. Die Argentinierin ist detailverliebt: ein verspieltes Futter mit Blumenprint im Mieder? Unbedingt, auch wenn es später gar nicht sichtbar ist. Die 53-Jährige näht auch Herrenwesten, die sie nach Wunsch auch aufs Dirndl der Partnerin abstimmt. Das I-Tüpfelchen für den komplett durchgeplanten Wasenlook: farblich harmonierende Blumenkränze, die eine Freundin bindet.

Sie freut sich, wenn ihre Kundinnen experimentierfreudig sind und ihre eigenen Ideen einbringen. Zum Beispiel für das Metallicdirndl, das auf der Kleiderstange in ihrem Nähatelier hängt. „Ich mag den kreativen Prozess. Wenn wir gemeinsam ein Bild entwerfen, wie das Dirndl am Ende aussehen soll.“ Die 53-Jährige ist stets auf der Jagd nach Stoffen – „sogar im Urlaub“. In Madrid wurde sie zum Beispiel in einem Stoffladen fündig, der sich auf die Kostüme der spanischen Stierkämpfer spezialisiert hat.

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Erstellt:
6. Mai 2024, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
7. Mai 2024, 21:53 Uhr

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