Der Rundumschlag des Präsidenten

Claus Vogt lehnt einen Rücktritt als Clubchef des VfB Stuttgart ab – und übt scharfe Kritik. Der Riss innerhalb des Clubs wird immer größer.

Claus Vogt ist seit Ende 2019 Präsident des VfB Stuttgart.

© Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Claus Vogt ist seit Ende 2019 Präsident des VfB Stuttgart.

Von Dirk Preiß

Stuttgart - Im Grunde war dieser Mittwoch ja ein guter Tag für den VfB Stuttgart. Denn alle, die es gut meinen mit dem Club aus Cannstatt, hätten ausschließlich schwärmen können von Maximilian Mittelstädt und dessen Tor der Marke Weltklasse im Länderspiel der deutschen Mannschaft gegen die Niederlande (2:1). So wie man sich vor rund zwei Wochen auch ausnahmslos hätte freuen können über die vier Nominierungen der VfB-Profis für die DFB-Auswahl. Wie seinerzeit kam es aber auch diesmal anders.

Vor zwei Wochen reagierte der Vereinspräsident Claus Vogt mittels eines auf der VfB-Homepage veröffentlichen Statements auf die zuvor erfolgte eigene Abwahl als Vorsitzender des Aufsichtsrats der VfB AG. Es war eine Erklärung, die den Club erschütterte, statt die Lage zu beruhigen. Nun, am Tag nach Mittelstädts Traumtor, erhebt der Clubchef in einem Interview mit dem „Kicker“ massive Vorwürfe – und sieht beim VfB Stuttgart einen „Kampf“ toben, der angeblich zum Ziel hat, dem Mutterverein jegliche Mitbestimmung zu entziehen. Kern von Vogts explosiven Botschaften: „Die Einmischung des Kapitals geht beim VfB nun deutlich zu weit.“ Im deutschen Fußball sei das „einzigartig“.

Einen Rücktritt, wie ihn die Cannstatter Kurve als Zusammenschluss von Ultra-Gruppierungen und weiteren offiziellen Fanclubs gefordert hat, lehnt der 54-Jährige kategorisch ab. Er sieht sich als Opfer einer Kampagne, werde „den Kampf“ sowohl beim VfB als auch bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) weiterführen und antwortet auf die Forderungen der Anhängerschaft mit dem Hinweis auf die satzungsrelevanten Formalitäten: „Nach wie vor ist aber unsere Mitgliederversammlung das höchste Organ und Gremium unseres Vereins, diese hat uns beziehungsweise mich auch gewählt. Nur und ausschließlich diesem bin ich verpflichtet und Rechenschaft schuldig.“ Die nächste ordentliche Mitgliederversammlung findet am 28. Juli 2024 statt.

Dass Vogt sagt, er sei „dafür offen, aufeinander zuzugehen“, denn es gebe „ja Kompromisse“, klingt wie Hohn, wenn man liest, wie massiv er Zustände, Rechtsform, Mitstreiter und Investoren des VfB ansonsten kritisiert – und wenn man bedenkt, dass keiner in Club und AG von Veröffentlichung und Inhalt des Gesprächs wusste.

Auslöser des nun immer größer werdenden Konflikts beim VfB Stuttgart ist Vogts Rolle beim Einstieg von Porsche als weiterer großer Investor der VfB AG. Über 40 Millionen Euro wollte der Autobauer im Sommer 2023 investieren – ohne Gewinnabsichten, wie man in Zuffenhausen immer wieder betont. Als Voraussetzung galt jedoch, dass Vogt zwar nicht die Präsidentschaft, aber doch den Vorsitz des Aufsichtsrats der VfB AG abgibt. Vogt jedoch, das sagte er nun, war lediglich bereit, die oft kritisierte Sitzungsleitung abzugeben, nicht aber den Posten.

Zum Politikum wurde das Ganze, weil der Clubchef einer entsprechenden Vereinbarung zum Rückzug vom Posten des Chefs des Kontrollgremiums schriftlich zugestimmt hatte. Er habe unter „Zeitdruck“ unterzeichnet, sich aber zugleich kundig gemacht, ob seine Unterschrift rechtlich überhaupt verbindlich ist. War sie wohl nicht, weshalb sich Vogt in der Folge nicht mehr an seine Zusage halten wollte. Sogar ein Rechtsgutachten, erklärt er, gebe es mittlerweile dazu.

Im Kern bestätigt diese Geschichte genau das, was Kritiker am seit Ende 2019 amtierenden VfB-Präsidenten stets kritisieren. Er mache Zusagen, danach sehe die Sache aber wieder anders aus. Seine Abkehr von der gemachten Zusage im Sommer 2023 stellte er nun in Zusammenhang mit seinem Einsatz für die Einhaltung der 50+1-Regel. Er könne „nicht tatenlos zuschauen“, wenn diese Regel „gekonnt ausgehebelt werden soll“.

Vogt kritisiert also den Investor Porsche, er hält Tanja Gönner für nicht geeignet als Vorsitzende des Aufsichtsrats, obwohl er sie einst für das Kontrollgremium vorgeschlagen hat. Er wendet sich von seinem Präsidiumskollegen Christian Riethmüller ab und attackiert indirekt auch den Vorstand der AG. Also die Personen, die nicht nur den Porsche-Deal eingefädelt und die Absichtserklärung haben aufsetzen lassen, die er unterschrieben hat, sondern eben auch jenes Trio (Alexander Wehrle, Rouven Kasper, Thomas Ignatzi), das er selbst als Aufsichtsratschef zu Vorständen gemacht hat. Und deren Kurs er ja mitbestimmt und kontrolliert hat. Nun sagt er: „Ich bin nur den Mitgliedern und der Vereinssatzung verpflichtet.“

Immerhin betont Vogt auch, dass der VfB im vergangenen Sommer noch massive wirtschaftliche Probleme hatte, die die zugesagten Porsche-Millionen deutlich gelindert haben. Dennoch stellt er den Einstieg der Zuffenhausener nun als Beginn einer Art feindlicher Übernahme dar. Vogt sagt: „Wir müssen als VfB aufpassen, dass wir nicht ein investorengeführter Verein werden.“ Und: Gerade in Stuttgart müsse „der Mutterverein konfliktbereiter“ sein als anderswo. Sowohl Porsche und Mercedes als auch der AG-Vorstand des VfB hatten sich allerdings stets zur 50+1-Regel bekannt. Schon vor Wochen hatte Vogt intern Kopfschütteln ausgelöst, als er nach dem erfolgten und mit allen Gremien abgestimmten „Ja“ des VfB zum Investoren-Deal der DFL als einer der ersten Vereinsvertreter eine Neuabstimmung befürwortete.

Wie es nun weitergehen soll, ist mehr denn je unklar. Die Cannstatter Kurve hatte am vergangenen Freitag den sofortigen Rücktritt von allen drei Präsidiumsmitgliedern (Vogt, Riethmüller, Adrion) gefordert. Andere im Fanlager stehen zwar hinter der im Kurven-Statement formulierten Kritik, sind aber gegen die komplette Auflösung des Vereinspräsidiums. Deren Wunsch ist lediglich der sofortige Rücktritt Vogts. Mittlerweile gibt es dazu gar eine Petition.

Der Riss, der sich durch den Verein zieht, ist riesengroß, auch tut sich nun wieder ein Graben zwischen Club und AG auf. Vogt sagt via „Kicker“: „Wir sind im Sport, da können schon mal auf dem Platz harte Worte fallen, da muss man sportlich drüber stehen und vergessen können.“ Dass das in der aktuellen Konstellation beim VfB noch gelingt, ist allerdings nahezu unmöglich.

Zum Artikel

Erstellt:
27. März 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
28. März 2024, 21:53 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen