Klimaaktivisten im Hungerstreik

Dieser Mann isst nichts mehr bis Olaf Scholz auf ihn hört

Seit mehr als 50 Tagen ist der Klimaaktivist Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik. Seine Mitstreiter und er sind bereit, bis zum Äußersten zu gehen.

Wolfgang Metzeler-Kick (links), Richard Cluse und Michael Winter fordern eine Regierungserklärung vom Kanzler.

© dpa/Sebastian Gollnow

Wolfgang Metzeler-Kick (links), Richard Cluse und Michael Winter fordern eine Regierungserklärung vom Kanzler.

Von Nina Förster

Wolfgang Metzeler-Kick hat sich dick eingepackt. In Fleece-Pullover, Jacke, Mütze und Handschuhen sitzt er in einem großen weißen Zelt. Eigentlich ist Frühling. Aber davon merkt man hier wenig. Metzeler-Kick zeigt auf seine Trinkflasche, darin ein roter Saft: „Da sind Kohlenhydrate drin.“ Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz sich nicht bald bei ihm meldet, will er die künftig weglassen. Feste Nahrung rührt er schon jetzt nicht mehr an. Seit mehr als 50 Tagen.

Metzeler-Kick ist Ingenieur, 49 Jahre alt – und Klimaaktivist. Er gehört zum Bündnis „Hungern bis ihr ehrlich seid!“. Mit ihm hungern zwei weitere Männer: Richard Cluse, 56 Jahre alt, hat seit dem 25. März nichts mehr gegessen, Michael Winter, 61 Jahre alt, seit dem 16. April. Ihre Zelte haben die Mitglieder Ende März im Berliner Regierungsviertel, in der Nähe des Kanzleramtes, aufgeschlagen. Das Ziel der Streikenden: Der Bundeskanzler soll in einer Regierungserklärung aussprechen, dass „der Fortbestand der menschlichen Zivilisation“ aufgrund der „Klimakatastrophe extrem gefährdet“ ist.

Es gab bereits 2021 einen Hungerstreik

Sie sind nicht die ersten Klimaaktivisten, die auf Nahrung verzichten. Schon 2021 traten Lea Bonasera und Henning Jeschke, Gründungsmitglieder der Letzten Generation, in den Hungerstreik – mit einem ähnlichen Ziel: Sie wollten vor der Bundestagswahl mit den drei Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz über die Klimakrise sprechen. Damals gab Scholz nach. Das Klima rettete das nicht. Was erhoffen sich die drei Aktivisten jetzt von ihrem Protest? Und wie lange wollen sie durchhalten?

Metzeler-Kick ist anzumerken, dass er seit rund sieben Wochen nicht gegessen hat. Wenn er redet, hält er oft inne. Es scheint, als müsste er seine Gedanken sammeln. Bis auf eine Ausnahme: Wenn er die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Weltklimarates erklärt, wirkt er fokussiert, spricht mit eindringlicher Stimme.

Ein Protest mit Ablaufdatum

Um auf die Klimakrise hinzuweisen, haben Metzeler-Kick, Cluse und Winter schon einiges versucht. Sie waren bei Fridays for Future, Extinction Rebellion und der Letzten Generation aktiv. Erreicht haben sie wenig. Deshalb nun der Hungerstreik. „Das triggert die Leute, das rüttelt auf“, sagt Cluse. Zudem baue es Druck auf, „weil klar ist, dass das nicht unendlich geht“. Man könnte auch sagen: ein Protest mit Ablaufdatum.

Aber kann so ein Streik wirklich etwas bewirken? Der Protestforscher Philipp Gassert von der Universität Mannheim bezweifelt das. Erfolgreich könne das Bündnis sein, wenn es eine breitere Bewegung in der Gesellschaft anstößt und politische Mehrheiten schafft. Fridays for Future sei es vor der Bundestagswahl 2021 gelungen, eine Grundbefürwortung für eine klimagerechte Politik zu erzeugen, weil die Protestierenden die Breite der Gesellschaft mitnahmen.

Den Hungerstreik als Protestform betrachtet er als „Ausdruck der Verzweiflung und der individuell gefühlten Ausweglosigkeit“. Die Gruppendynamik einer kleinen, radikalen Gruppe könne dazu führen, „dass man sich in einer Binnenperspektive auch in Dinge hineinsteigert“. Dass die Streikenden so einen klaren Fokus hätten, sei einerseits eine Stärke, sagt der Protestforscher. „Andererseits ist es ihre Schwäche, weil es breitere Schichten auch abstoßen kann.“

Auf die Klimaaktivisten angesprochen sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit schon Anfang April, dass der Bundeskanzler nicht auf einzelne Forderungen eingehen werde. Olaf Scholz lasse ihn sterben – so interpretiert Metzeler-Kick diese Rückmeldung.

Kommt Zwangsernährung infrage?

Aber würde man den Aktivisten im Berliner Regierungsviertel wirklich verhungern lassen – oder ihn nicht doch notfalls zwangsernähren? Nach ständiger Rechtsprechung zähle eher der freie Wille, sagt Tobias Ponath, Fachanwalt für Strafrecht. Das würde bedeuten: Wenn Metzeler-Kick nichts essen will, darf man ihn nicht dazu zwingen. Ponath betont: Entscheidend sei, wann die Freiwilligkeit in die Unfreiwilligkeit kippt – zum Beispiel aufgrund psychischer Probleme.

Aufgeben will Metzeler-Kick auf keinen Fall: „Ich mache weiter, bis Scholz die Regierungserklärung abgibt“, sagt er. Und wenn der Kanzler seiner Forderung nicht nachkommt? „Dann falle ich ihm tot auf die Füße.“

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Erstellt:
27. April 2024, 12:10 Uhr

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