Ein Naturgarten voll von faszinierendem Leben

Artenschutz vor der Haustür In einem Naturgarten liegt der Fokus auf Vielfalt und Nachhaltigkeit. Frank Ehret vom Naturgartenverein erklärt, worauf es beim Anlegen eines naturnahen Gartens ankommt, damit möglichst viele Tierarten profitieren und geschützt werden können.

Frank Ehret in seinem naturnahen Garten. Hier gibt es für viele heimische Tierarten Nahrungsangebote, Unterschlupf und Nistmöglichkeiten. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Frank Ehret in seinem naturnahen Garten. Hier gibt es für viele heimische Tierarten Nahrungsangebote, Unterschlupf und Nistmöglichkeiten. Fotos: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Wenn Frank Ehret durch seinen Garten in einer Backnanger Siedlung läuft, kommt er aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Zu jeder Pflanze, jedem Baum und Strauch, an der oder an dem er vorbeikommt, weiß er, welche Tiere hier Nahrung und Schutz finden können. Da ist zum Beispiel die Distel, die zwar schon verblüht ist, nun aber nicht nur Distelfinken anlockt, sondern an der bald auch die Raupen verschiedenster Schmetterlingsarten überwintern. Dafür eignet sich auch die hochgewachsene Pflanze daneben, an der sich außerdem die Hummeln sehr gerne bedienen, die sich in einem Mauerloch gleich um die Ecke eine Heimat gesucht haben. „Im Frühjahr und Sommer summt es hier nur so“, erzählt Frank Ehret begeistert.

Seit etwa fünf Jahren interessiert er sich für das Thema naturnaher Garten, im Jahr 2019 hat er mit Gleichgesinnten die Regionalgruppe im Rems-Murr-Kreis gegründet, seit Februar dieses Jahres ist er auch im Bundesvorstand des Naturgartenvereins aktiv (siehe Infokasten). Angefangen habe alles mit Wildbienenhotels, „dann habe ich erfahren, dass ein Großteil der Wildbienen aber in der Erde lebt und dass man diesen vielmehr Pflanzen anbieten muss, die sie als Nahrungsmittel brauchen“, berichtet er und zeigt auch auf eine Stelle neben einem Teich, an der sich im vergangenen Jahr tatsächlich Sandbienen angesiedelt haben.

Pflanzen und Saatmischungen von speziellen Lieferanten

Seitdem gestaltet er seinen Garten immer mehr in Richtung Naturgarten um. Früher hatte auch er eher den konventionellen Garten, der sich ganz an der traditionell ordnungsliebenden schwäbischen Mentalität orientiert hat. Ein Naturgarten unterscheidet sich von einem Garten im klassischen Sinne unter anderem durch die bevorzugte Verwendung von vielen verschiednen einheimischen Wildpflanzen. „Die sind als Lebensraum viel wertvoller für unsere heimischen Tierarten.“ Ehret will keinen fein säuberlich geordneten Garten mehr. „Ich will, dass etwas los ist im Garten, dass es lebendig ist“, sagt Ehret.

Dass das mit einem naturnahem Garten klappt, weiß er aus Erfahrung. Zum Beispiel siedelten sich in seinen Teichen schon Teichfrösche, seltene Bergmolche, Erdkröten und verschiedenste Wasserinsekten an. Sogar eine Ringelnatter zeigte sich immer wieder. „Die Natur nimmt sich die Chancen, die wir ihr geben.“ Ein Naturgarten bereitet außerdem deutlich weniger Arbeit als ein konventioneller Garten, schon allein dadurch, dass man ihn nur zweimal im Jahr mähen muss. Trotzdem gibt es auch Fallstricke, zum Beispiel die Pflanzen und Saatmischungen, die man sich kauft. „Es ist wichtig, dass es nicht nur sogenannte Showpflanzen sind“, sagt Ehret. Damit meint er zum Beispiel Blumen aus dem Baumarkt, die schon beim Kauf blühen, auch wenn noch gar nicht ihre Blühzeit ist. „Das sind häufig Pflanzen, die im ersten Jahr superschön blühen, in den Jahren danach aber gar nicht mehr“, erklärt Ehret. Die Frustration bei den Gartenbesitzern sei dann häufig groß, viele geben die Umgestaltung zum naturnahen Garten schnell wieder auf. Viel besser geeignet seien dagegen Biopflanzen und -samen von ausgewählten Lieferanten, die auch auf der Webseite des Naturgartenvereins aufgelistet sind. „Die sind im ersten Jahr vielleicht kleiner und haben nicht sofort so einen mega Farbeffekt, dafür halten sie sich aber über mehrere Jahre und blühen in den Folgejahren umso schöner“, so Ehret.

Blühend eine Nahrungsquelle für Insekten, verblüht für Vögel. In einem Naturgarten sollten Pflanzen immer möglichst vielen Arten zugutekommen.

© Alexander Becher

Blühend eine Nahrungsquelle für Insekten, verblüht für Vögel. In einem Naturgarten sollten Pflanzen immer möglichst vielen Arten zugutekommen.

In seinem Garten findet man zwar in jeder noch so kleinen Ecke Lebensraum für viele verschiedene Tier- und Insektenarten, aber Naturliebhaber müssen nicht gleich ihren ganzen Garten umkrempeln, um der Natur etwas Gutes zu tun. „Jeder Quadratmeter zählt und schon mit kleinen Ecken kann man etwas bewirken“, sagt der Fachmann und zeigt zum Beispiel auf einen sogenannten Totholzhaufen. Dort liegen Äste, Zweige und Blätter auf einem Fleck. „Das heißt zwar Totholzhaufen, ist aber einer der lebendigsten Orte im Garten“, erzählt er. Igel finden hier Unterschlupf, zahlreiche Käfer finden Nahrung.

Ehret zeigt auf ein anderes Eck: Hier wächst eine große Brennnesselpflanze, daneben wachsen wilde Rosen und zwischendrin steht ein Baum, auf dem noch kleine Früchte für Vögel hängen. „Das ist zum Beispiel nur ein kleines Eck, das man sich selbst überlässt. Und schon allein die Brennnessel ist nicht nur eine Nektarpflanze, sondern auch eine Wirtspflanze, an der rund 30 verschiedene Schmetterlingsarten nisten können.“ Allein dadurch, dass er diese Brennnessel stehen lasse, könne er im Frühjahr zahlreiche Schmetterlinge von dort losfliegen sehen. Es sind aber nicht ausschließlich heimische Pflanzen in seinem Garten. „Wir haben auch ein paar Kompromisspflanzen“, erzählt er. Das sind solche, die sich zwar als Nahrungspflanze gut eignen, aber eben nicht als Lebensraum für die heimische Tierwelt. Wenn es möglich ist, versuche er zwar Ersatz für diese Pflanzen zu finden, aber das sei kein Muss.

Das Interesse an Naturgärten nimmt immer mehr zu

Aber nicht nur Pflanzen machen einen Naturgarten aus. Auch Funktionsflächen wie Wege, Mauern, Wände, Bänke oder Trockenmauern werden so gebaut, dass sie nicht nur uns Menschen, sondern auch möglichst vielen Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten. Eine kleine Natursteinmauer zum Beispiel bietet Eidechsen und Salamandern Unterschlupf, kleine Löcher in den Dachziegeln laden Wildbienen und Hummeln ein.

Das Interesse an den Naturgärten, die nicht nur der Umwelt etwas Gutes tun, sondern auch voll von interessantem Leben sind, sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen, berichtet Ehret. Er hofft, dass noch mehr Menschen die Vorteile eines Naturgartens für sich entdecken, auch wenn es natürlich auch den einen oder anderen Nachteil gibt. „Es wachsen auch alle möglichen Pflanzen, die man nicht gepflanzt hat.“ Aber abgesehen von dem einen oder anderen Unkraut könne selbst das eine schöne Überraschung bereithalten: „Manchmal tauchen überraschend auch Pflanzen auf, die sogar sehr selten sind.“

Naturgartenverein Rems-Murr

Verein Bundesweit ist der Naturgartenverein bereits seit über 30 Jahren aktiv. Er ist in Regionalgruppen unterteilt, unter anderem die Regionalgruppe Brommhommel im Rems-Murr-Kreis, die sich 2019 gegründet hat.

Ziel In Deutschland gibt es rund 17 Millionen Gärten. Diese Flächen sieht der Naturgartenverein als eine Chance, um der Natur und besonders den heimischen Arten etwas zurückzugeben, indem ihnen Lebensraum und Nahrungsmöglichkeiten geboten werden.

Tipps Die Ehrenamtlichen des Vereins beraten und geben Tipps, wenn sich Gartenbesitzer für eine naturnahe Gestaltung interessieren. Einer davon ist zum Beispiel, dass ein Naturgarten unter keinen Umständen gedüngt werden darf. Ein weiterer Tipp: stellenweise Sand in den Boden einarbeiten. Denn gerade die Nährstoffarmut sorge für besonders artenreiche Bereiche. Weitere Tipps und Schritt-für-Schritt-Anleitungen gibt es auf der Vereinswebsite.

Informationen Weitere Tipps, Listen mit Saatgutherstellern und Kontaktdaten gibt es online unter https://naturgarten.org. Mit der Regionalgruppe Rems-Murr kann man Kontakt aufnehmen unter regiogruppe-remsmurr@naturgarten.org.

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Erstellt:
1. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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