Künstliche Intelligenz weckt große Neugier

Schlaue Systeme (1) In unserer neuen Serie wollen wir zeigen, wo maschinelles Lernen in unserer Region bereits eingesetzt wird und welche Chancen, aber auch Risiken damit verbunden sind. Zum Auftakt haben wir mit verschiedenen Experten gesprochen.

Ob Tipps für die Freizeitgestaltung oder Hilfe bei beruflichen Aufgaben: Künstliche Intelligenz wie bei ChatGPT ist heute schon in vielen Bereichen einsetzbar. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ob Tipps für die Freizeitgestaltung oder Hilfe bei beruflichen Aufgaben: Künstliche Intelligenz wie bei ChatGPT ist heute schon in vielen Bereichen einsetzbar. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Rems-Murr. Zumindest für den Laien ist es noch immer verblüffend, mit ChatGPT zu arbeiten. Der Chatbot des amerikanischen Unternehmens Open AI kann fast genauso kommunizieren wie ein echter Mensch: Er beantwortet Fragen, fasst lange Texte in Sekundenschnelle zusammen, schreibt E-Mails, Aufsätze und auf Wunsch sogar Gedichte. Zum ersten Mal ist künstliche Intelligenz (KI) damit für jedermann nutzbar – und das sogar kostenlos.

„ChatGPT hat KI greifbar und erlebbar gemacht“, sagt Roman Leonov, Berater für digitale Wirtschaft bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Spätestens seit der Chatbot aus Amerika auch Deutsch spricht, ist er bei uns in aller Munde und viele fragen sich, wie sie beruflich und privat von der neuen Technik profitieren können. Auch bei der IHK haben die Nachfragen zum Thema KI seitdem stark zugenommen: „Das Interesse ist gestiegen. Viele Unternehmen wollen gerne KI-basierte Dienstleistungen anbieten“, berichtet Leonov.

Der Experte begrüßt das, denn auch er sieht in der künstlichen Intelligenz enorme Chancen: „Das ist keine Spielerei, sondern steigert die Effizienz in Unternehmen“, sagt Leonov.

Und das nicht nur in großen Firmen. Auch ein kleiner Handwerksbetrieb kann sich von einem Chatbot wie ChatGPT zum Beispiel innerhalb von wenigen Minuten Texte für die Website oder eine Werbekampagne auf Social Media schreiben lassen. Auch im Kundenservice kann KI das Personal entlasten: „Chatbots können einfachere Fragen sofort beantworten und die Servicemitarbeiter können sich auf die komplizierteren Fälle konzentrieren“, erklärt der IHK-Berater.

Künstliche Intelligenz kann aber noch viel mehr als nur Texte generieren. Auch im Verkauf, in der Produktion und der Logistik gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten. So können KI-Systeme zum Beispiel anhand von Maschinendaten vorhersagen, wann bestimmte Teile voraussichtlich kaputt gehen werden. Diese können dann rechtzeitig ersetzt werden, bevor es zu teuren Produktionsstopps kommt.

Voraussetzung, um solche KI-Lösungen umsetzen zu können, ist aber, dass die Prozesse im Unternehmen voll digitalisiert sind. Und genau daran hapert es oft noch, wie Christian Gmehling, Marketingleiter bei der Firma L-Mobile, weiß. Das Softwareunternehmen aus Sulzbach an der Murr unterstützt Mittelständler auf ihrem Weg in die digitale Welt. Dabei stellt Gmehling immer wieder fest, dass in deutschen Firmen noch viel mit Stift und Papier gearbeitet wird. Von der Nutzung künstlicher Intelligenz ist man da noch weit entfernt.

IHK startet KI-Kurse an zwei Berufsschulen

Aber auch fortschrittlichere Unternehmen tun sich bei der Einführung von KI oft schwer. Welcher Mittelständler hat schon einen IT-Experten in seinen Reihen, der sich damit auskennt? Unterstützung bekommen interessierte Unternehmen zum Beispiel beim KI-Lab Region Stuttgart mit Sitz in Böblingen. „Wir zeigen Firmen, wo sie KI sinnvoll einsetzen können“, erklärt Professor Michael Möhring. Bei Bedarf vermitteln die Experten auch den Kontakt zu jungen Start-up-Firmen, die individuelle KI-Lösungen in den Betrieben umsetzen.

Angesichts der wachsenden Bedeutung der künstlichen Intelligenz kann es aber auch nicht schaden, die eigene Kompetenz in diesem Bereich zu stärken. „Wir kommen zukünftig um die Nutzung von KI nicht herum, deshalb müssen sich Betriebe und ihre Mitarbeiter bestmöglich auf den Fortschritt vorbereiten“, sagt Claus Paal, Präsident der IHK Region Stuttgart.

Zusammen mit mehreren Partnern hat die Kammer deshalb im Sommer bereits eine Zusatzqualifikation im Bereich KI für Auszubildende gestartet. Sie wird an zwei Berufsschulen in Leonberg und Esslingen angeboten, teils in Präsenz, teils online. 60 Azubis aus unterschiedlichen Berufen hätten sie bereits erfolgreich abgeschlossen, berichtet Claudius Audick von der IHK. Die meisten von ihnen stammten allerdings aus großen Konzernen.

Experten warnen vor überzogenen Erwartungen

Nach dem erfolgreichen Start würde die IHK die KI-Kurse gerne weiter ausbauen und als flächendeckendes Angebot an den Berufsschulen installieren. Auch für Berufstätige, deren Ausbildung schon eine Weile zurückliegt, plant die IHK entsprechende Fortbildungen. Dabei gehe es aber nicht darum, Informatiker auszubilden, die selbst KI-Systeme programmieren können, erklärt Claudius Audick. Vielmehr brauche man Leute, die die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz kennen und wissen, wie man diese in einer Firma implementieren kann. Bei aller Euphorie warnen die Experten aber auch vor überzogenen Erwartungen. „Wir sollten nicht glauben, dass KI alle Probleme löst, denn das kann sie nicht“, sagt Michael Möhring. Die Systeme funktionierten immer nur dann gut, wenn sie auf eine große Datenbasis aus der Vergangenheit zurückgreifen können, erklärt der Informatikprofessor. Wo es diese Daten nicht gibt oder wo sie nicht auf die Zukunft übertragbar sind, könne KI nicht helfen.

Möhring berichtet von einem KI-Modell zur Bestimmung verschiedener Fischarten. Zum Lernen hatten die Entwickler der Software Fotos gezeigt, auf denen eine Person die unterschiedlichen Fische in der Hand hält. Als das Programm später jedoch Fische im Wasser bestimmen sollte, scheiterte es. Auf den Fotos fehlte die Hand.

Die Fehlerquote ist oft noch zu hoch

Ein weiteres Manko von KI-Modellen ist die relativ hohe Fehlerquote. „Eine Genauigkeit von 92 Prozent gilt heute schon als sehr gut“, erklärt Möhring. Umgekehrt heißt das aber, dass immer noch fast zehn Prozent der Ergebnisse falsch sind. Etwa in einem Produktionsprozess ein viel zu hoher Wert. Auch regelmäßige Nutzer von ChatGPT stoßen übrigens immer wieder auf offenkundige Fehlinformationen. „Man sollte die Ergebnisse von KI deshalb immer prüfen und sie nicht bedenkenlos für bare Münze nehmen“, rät Roman Leonov.

Das gilt erst recht, wenn es um sensible Themen geht, zum Beispiel im medizinischen Bereich. Damit künstliche Intelligenz hier akzeptiert wird, etwa bei der Früherkennung von Krankheiten, hält Michael Möhring es auch für wichtig, dass der Mensch nachvollziehen kann, wie die KI zu ihren Ergebnissen kommt. Einem undurchschaubaren Algorithmus würden weder Ärzte noch Patienten vertrauen.

Dass die Bedeutung der künstlichen Intelligenz in den kommenden Jahren weiter wachsen wird, steht für die Experten aber außer Frage. „KI ist gekommen, um zu bleiben“, ist sich Roman Leonov sicher. Christian Gmehling sieht in ihr auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel, der schon jetzt in vielen Branchen spürbar ist. Die Sorge, dass mit dem Vormarsch der KI Arbeitsplätze vernichtet werden, halten die Experten aber für unbegründet: „Wir sollten keine Angst vor KI haben“, sagt Leonov. Auch in Zukunft werde man menschliche Arbeitskräfte brauchen, nur eben vermehrt solche, die mit KI umgehen können.

Wofür nutzen Sie bereits KI?

Beispiele gesucht In unserer neuen Serie „Schlaue Systeme“ wollen wir zeigen, wo künstliche Intelligenz in unserer Region bereits zum Einsatz kommt. Dafür suchen wir Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen. Nutzen Sie KI in Ihrer Firma oder auch in der Schule, im Ehrenamt oder im Privatleben? Dann schicken Sie eine E-Mail mit dem Betreff „KI-Serie“ an redaktion@bkz.de.

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Erstellt:
7. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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