Kulturkampf statt Substanz

Die Ampelkoalition hat es beim Thema Verkehr wieder geschafft, ihr Ansehen zu beschädigen.

Die Bahn baut zurzeit massiv, hier auf der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt. Beim Geld dafür zeigte die Ampel-Koalition Einigkeit.

© dpa/Arne Dedert

Die Bahn baut zurzeit massiv, hier auf der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt. Beim Geld dafür zeigte die Ampel-Koalition Einigkeit.

Von Andreas Geldner

Stuttgart - Erst lauter Krach, dann ein fauler Kompromiss. Wenn man ein Lehrstück dafür sucht, warum das Ansehen der Ampelkoalition im Keller ist, dann sind die jüngsten aufgeregten Debatten in der Verkehrspolitik ein Paradebeispiel. Tempolimit, Fahrverbote – emotionaler und kulturkämpferischer kann man in das Thema Klimaschutz im Verkehr nicht einsteigen. Und es ist klar zu verorten, wer mit solchen Themen das Zündeln angefangen hat. Es ist die FDP, die auf der Suche nach Profilierung in der Koalition den Kampf fürs Auto entdeckt hat. Aus taktischer Sicht kann sie durchaus einen Erfolg verbuchen: Nachdem im Verkehrsbereich es mit der CO2-Reduktion nicht wie notwendig vorangeht, hat die Koalition nun im Klimaschutzgesetz die Last der Einsparungen von diesem vom FDP-Minister Volker Wissing zu verantwortenden Bereich weggeschoben und im Gesamttopf versenkt.

Offenkundig wollten SPD, FDP und Grüne das Thema abräumen. Die Sozialdemokraten, weil sie verkehrspolitisch noch nie so recht wussten, wie weit sie bei der sogenannten Verkehrswende gehen wollten. (Man erinnere sich noch an den selbst ernannten Autokanzler Gerhard Schröder). Die FDP hingegen kann den Autofahrern signalisieren, dass sie auf ihrer Seite steht. Und die Grünen, die sich in ihrer Geschichte beim Thema Auto gelegentlich die Finger verbrannt haben, hatten offenbar ebenfalls kein Interesse daran, den Kampf um Prinzipien auf die Spitze zu treiben. Typisch Ampel eben, so möchte man meinen.

Der Streit über Symbolthemen hat den Blick auf die eigentlichen Baustellen verstellt. Mit dem Thema Tempolimit etwa lässt sich in Deutschland trefflich emotionalisieren. Seit Jahrzehnten hat sich bei dieser sterilen Debatte aber nichts bewegt. Dabei würde ein solches Limit weder die Freiheit der Bürger ruinieren noch anderseits die Klimabilanz im Verkehr retten. Und die Drohung mit Fahrverboten war schlichte Provokation.

In all dem weiß die Dreierkoalition gut zu verstecken, dass sie eigentlich einig darin ist, mehr in ein klimafreundliches Verkehrssystem zu investieren. Und da hätte das nur noch als zerstritten wahrgenommene Parteien-Trio im Bund doch einiges vorzuweisen. Die Einführung des Deutschlandtickets beispielsweise. Oder die Rekordsummen, mit denen das in den langen Jahren der Regierung von Angela Merkel (CDU) heruntergewirtschaftete Bahnnetz nun endlich einmal grundsaniert wird. Noch ist im öffentlichen Verkehr nach der Coronadelle einiges aufzuholen. Zwar ist die Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen im Jahr 2023 klar gestiegen. Aber die bisherigen Rekorde sind noch nicht wieder erreicht, weil Qualität und Verlässlichkeit nicht den nötigen Standard haben.

Es wäre eine konstruktive Strategie für die Ampel, inmitten der aktuellen Haushaltszwänge jetzt beim Ausbau des klimafreundlichen Verkehrs nicht wankelmütig zu werden. Hier ist ein großes Potenzial, bei dem man sich doch eigentlich auch zwischen FDP und Grünen einig ist. Da geht es auch um manche für die Öffentlichkeit sperrige Themen. Etwa die absehbare, massive Preissteigerung bei der Gebühr, die Bahnfirmen analog zur Lkw-Maut für die Nutzung der Gleise bezahlen. Das macht speziell den Güterverkehr auf der Schiene unattraktiv.

Über fiktive Fahrverbote oder ein unrealistisches Tempolimit kann sich die Republik hingegen tagelang echauffieren. Also über eine Simulation von Politik, die nicht ansatzweise die wirklich wichtigen Fragen berührt. Das eigentlich Deprimierende an der Debatte ist die Tatsache, wie all dies die Arbeit an demokratischen Kompromissen in der öffentlichen Wahrnehmung überlagert.

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Erstellt:
16. April 2024, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
17. April 2024, 21:50 Uhr

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