Lage in Backnanger Geflüchtetenunterkünften entspannt sich etwas

Durch die Eröffnung der neuen Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in Backnang konnte der Landkreis die Zeltstadt nun leeren. Auch fallen im Moment die Zuweisungen vom Land niedriger aus als sonst.

Dezernent Peter Zaar, Unterbringungsmanager Frank Polachowski und und Fachbereichsleiter Steffen Blunck (von links) zeigen sich sehr zufrieden mit der neuen Unterkunft im Kuchengrund in Backnang. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Dezernent Peter Zaar, Unterbringungsmanager Frank Polachowski und und Fachbereichsleiter Steffen Blunck (von links) zeigen sich sehr zufrieden mit der neuen Unterkunft im Kuchengrund in Backnang. Foto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Backnang. Die Unterkunft erinnert an eine Jugendherberge. Mehrere Flure gehen vom Treppenhaus ab, neben geräumigen Küchen, Gemeinschaftsbadezimmern und Aufenthaltsräumen finden sich Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer mit einer Grundausstattung an Holzmöbeln. In der zweiten Aprilwoche sind hier 59 geflüchtete Männer eingezogen, die zuvor in der Zeltunterkunft am Berufsschulzentrum in Backnang gewohnt hatten. Das Gebäude war zuvor als Handwerkerhostel genutzt worden, insofern musste nicht allzu viel daran verändert werden. Für die neuen Bewohner ist es eine deutliche Verbesserung. „Zum einen haben sie hier mehr Privatsphäre, zum anderen ist alles unter einem Dach“, nennt Steffen Blunck, Fachbereichsleiter für Koordination und Flüchtlingsaufnahme im Landratsamt, die Vorteile des Gebäudes im Kuchengrund. Zwar seien die anfänglichen Probleme mit der Heizung in der Zeltstadt rasch behoben worden, betont Dezernent Peter Zaar, doch auch er weiß: „Nachts bei Kälte das Zelt verlassen zu müssen, um auf die Toilette zu gehen, das ist nicht schön.“ Das gehört nun der Vergangenheit an, denn die Notunterkunft konnte inzwischen geleert werden.

Vorerst wird die Zeltstadt allerdings nicht abgebaut, sie soll als Notreserve weiter zur Verfügung stehen, auch wenn die Verantwortlichen hoffen, sie nicht noch einmal zu benötigen. Entgegen kommt dem Rems-Murr-Kreis hierbei, dass die Zahl der Zuweisungen vom Land in den letzten Monaten zurückgegangen ist. Die „Winterdelle“, also der jahreszeitlich bedingte Rückgang, sei früher gekommen als sonst, sagt Steffen Blunck. Wurden im Oktober noch 253 Asylbewerber und 204 Zugänge von Ukrainern im Rems-Murr-Kreis verzeichnet, so waren es im Dezember schon nur noch 61 beziehungsweise 62 Personen. Im März dieses Jahres hatte man sogar nur 46 Zuweisungen und 34 Zugänge von Ukrainern. Vermutlich haben die bundesweiten Grenzkontrollen damit zu tun. Aktuell liege man in Sachen Zuweisungen 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau, führt Peter Zaar aus.

Noch gab es keine Zwangszuweisungen an Kommunen, das soll so bleiben

Das verschafft dem Landkreis Luft, um voraussichtlich bald auch die Notunterkunft in Schorndorf räumen zu können. Denn gleichzeitig werden weiter neue Kapazitäten geschaffen – unter anderem zwei große Unterkünfte in Schorndorf und Kernen. „Wir sind bemüht, die Gemeinschaftsunterkünfte gleichmäßig im Kreisgebiet zu verteilen“, so Zaar. Keine Kommune solle übermäßig belastet werden. Aktuell hat der Kreis Kapazitäten für 3.500 Personen in insgesamt 33 Unterkünften. Im Januar 2022 waren es noch derer 17.

Allerdings werden nicht nur Gemeinschaftsunterkünfte gebraucht, sondern auch die Anschlussunterbringung, für die die Städte und Gemeinden zuständig sind, muss ausgebaut werden. Diesbezüglich haben manche Kommunen in den vergangenen Wochen Post aus dem Landratsamt erhalten, denn nicht überall geht es dabei schnell genug voran (wir berichteten). „Wenn wir merken, dass in einer Gemeinde noch Luft nach oben ist, dann weisen wir frühzeitig drauf hin“, führt Peter Zaar aus. Der Dezernent sowie Fachbereichsleiter Steffen Blunck sind dann auch mal vor Ort in den Gemeinderatssitzungen, um den Gremiumsmitgliedern die Notwendigkeit dieser Aufgabe zu verdeutlichen. Das sei keinesfalls als Konfrontation gemeint. „Das Diskussionspotenzial ist uns bekannt“, so der Dezernent. Dennoch handle es sich bei der Anschlussunterbringung um eine Pflichtaufgabe, der sich die Kommunen nicht verweigern können. Das zu vermitteln, sei bisher auch immer gelungen. Zwangszuweisungen wolle man nicht vornehmen. „So weit ist es auch noch nie gekommen“, macht Peter Zaar klar.

Weitere Themen

Oftmals sei im Vorfeld die Sorge der Anwohner groß, wenn Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft untergebracht werden. Das sei auch im Kuchengrund nicht anders gewesen. Doch seit dem Umzug habe es keinerlei Beschwerden gegeben, freuen sich die Verantwortlichen. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist die Bebauung im Gebiet nicht so eng – wenn mal Musik gehört wird, bekommen das die Nachbarn meistens nicht mit. Und: „Erstmals eröffnen wir eine Unterkunft, in die Leute kommen, die schon seit sechs Monaten hier bei uns leben“, erklärt Peter Zaar. Man kennt sich also schon und die Gepflogenheiten der Region sind den Bewohnern weitgehend geläufig. Viele von ihnen hätten schon begonnen, sich ihr Leben in Backnang aufzubauen, haben Freundschaften geschlossen und eine Weiterbildung gestartet (siehe Infotext). Sie sind folglich tagsüber oft außer Haus. Tatsächlich ist es im Gebäude am Nachmittag erstaunlich ruhig. Auch deswegen sei es wichtig gewesen, dass sie nicht noch einmal in eine andere Stadt oder Gemeinde im Kreis umziehen müssen.

Eine durchdachte Verteilung der Bewohner befriedet das Miteinander

Der Umzug, schildert Unterbringungsmanager Frank Polachowski, hat sogar noch neue Möglichkeiten eröffnet. Denn in der Zeltunterkunft seien die Personen noch ziemlich zusammengewürfelt untergebracht gewesen. Nun könne man viel besser strukturieren, wer mit wem auf ein Zimmer kommt. „Das sind keine Kartons, die man einfach irgendwo unterbringt, das sind Menschen“, verdeutlicht Frank Polachowski.

Folglich haben er und die Sozialarbeiter des Kreisdiakonieverbands sich im Vorfeld eingehend damit auseinandergesetzt, wie die Zimmeraufteilung vonstatten geht. Auch konnten die Bewohner sich dazu äußern, wenn sie gerne mit Freunden zusammenwohnen wollen oder auch wenn sie mit einer Person nicht gut auskommen. Diese Wünsche zu berücksichtigen, bringt noch einen weiteren Vorteil: „Das befriedet das Ganze.“ Streitereien in Unterkünften kämen so viel seltener vor.

Das alles klingt sehr versöhnlich. Doch wie geht es in Sachen Flüchtlingsunterbringung im Rems-Murr-Kreis weiter? Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte angekündigt, dass die Grenzkontrollen bis zum Sommer verlängert werden. „Von daher hoffen wir, dass die Zahlen niedrig bleiben“, sagt Peter Zaar. Mit Sicherheit wisse man das aber nie und darüber hinaus könne man erst recht keine Aussagen treffen.

Die Unterkunft in Zahlen

Standort Die Gemeinschaftsunterkunft im Kuchengrund ist auf die Unterbringung von rund 140 Personen ausgelegt. Das ehemalige Gewerbeobjekt war zuvor als Handwerkerherberge genutzt worden und wurde in den vergangenen Monaten umgebaut. Das Gebäude ist vom Kreis aktuell bis Ende 2027 angemietet.

Bewohner Aktuell sind 59 alleinstehende Männer aus sechs verschiedenen Nationen in der Unterkunft im Kuchengrund untergebracht. Der Großteil ist zwischen 20 und 40 Jahre alt. Der jüngste Bewohner ist 18, die ältesten sind 72 und 48.

Alltag 15 der Bewohner sind aktuell in einem Integrationskurs, 17 stehen auf der Warteliste hierfür. Zwei Männer sind in Vabo-Maßnahmen, acht stehen hierfür auf der Warteliste. Ein Mann ist bereits erwerbstätig, vier sind auf Jobsuche und drei Personen leisten gemeinnützige Arbeit.

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Erstellt:
4. Mai 2024, 06:00 Uhr

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