ARD-Talkrunde mit Caren Miosga

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Ich habe die Sicht der Ukrainer“

Die FDP-Verteidigungsexpertin beharkt sich in der ARD mit dem friedenswilligen Journalisten Heribert Prantl – und spricht dennoch von Friedensbemühungen.

Caren Miosga und Marie-Agnes Strack-Zimmermann diskutierten am Sonntagabend im Ersten.

© NDR/Thomas Ernst

Caren Miosga und Marie-Agnes Strack-Zimmermann diskutierten am Sonntagabend im Ersten.

Von Christoph Link

Sie kämpfe ja wie eine Löwin für die Unterstützung der Ukraine, sie werde als „Eurofighterin“ und „Oma Courage“ gerühmt. So hat Moderatorin Caren Miosga am Sonntagabend in ihrer ARD-Talkrunde den Hauptgast beschrieben, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl.

Die 66-Jährige Motorradfahrerin – seit sieben Jahren im Bundestag – musste in der Sendung ihre erste Abwehrschlacht schlagen, als es um eine Lockerung der Schuldenbremse ging. Ob die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine grenzenlos sei, hatte die Leitfrage gelautet und Miosga wollte von der liberalen Frontfrau wissen, woher der zwei-stellige Milliardenbetrag kommen solle, den man noch für Verteidigungszwecke und weitere Militärhilfe benötigen werde, allein die deutsche Litauen-Mission werde elf Milliarden Euro kosten. Mehr Schulden?

„Einige Länder rollen sich ins Körbchen“

Wenn man die Schuldenbremse lockere, werde „ein Wall brechen“, so Strack-Zimmermann und wiederholte damit das altbekannte Credo der FDP. Man müsse Prioritäten im Haushalt setzen, diszipliniert wirtschaften. Man habe ja bereits einen starken Sozialstaat – da müsse man nicht immer was draufsatteln.

Marschflugkörper vom Typ Taurus – die Strack-Zimmermann im Gegensatz zur eigenen Regierung gerne liefern würde – könne man im übrigen auch aus dem Bundeswehrbestand nehmen, man habe ja 600 davon. Deutschland und die EU-Länder müssten langfristig der Ukraine helfen, Deutschland und die nordischen und baltischen Länder täten das ja auch, „aber einige in der EU rollen sich ins Körbchen“.

„Das Volk leidet Todesqualen“

Wie die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann den Kanzler „vor sich her getrieben hat“, das machte Caren Miosga an ihrer frühen Ukraine-Reise noch vor Olaf Scholz, an ihrem Drängen auf die Lieferung von Leopard-2-Panzern und ihrem abweichenden Stimmverhalten bei Taurus fest. Aber Strack-Zimmermann bereut nichts. Beim FDP-Parteitag in Berlin hat sie nachgelegt gegen den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und dessen „Einfrierungsphantasien“ im Ukraine-Russland-Konflikt gegeißelt mit den Worten, das mache die militärische Unterstützung der Ukraine „wachsweich“.

Bei Caren Miosga nun erklärte sie, dass die angebliche „Besonnenheit“ von Kanzler Olaf Scholz bei den Waffenlieferungen „ein Fehler“ sei, über den sich Wladimir Putin freue. „Ich habe die Sicht der Ukrainer und Ukrainerinnen“, sagte Strack-Zimmermann, „dieses Volk leidet Todesqualen. Es will nicht von Russland besetzt werden.“ Wer durch die Ukraine gereist sei, habe ein Wissen von der Tragödie, den Vergewaltigungen durch die Russen, die 20.000 Kinderverschleppungen, die Folterkeller für Erwachsene und Kinder sowie die Massengräber nach russischer Besatzung.

Kritik an Auftreten von Strack-Zimmermann

Ihre Aussage, sie sei „keine Kriegstreiberin“ wurde vom Kolumnisten der „Süddeutschen Zeitung“, Heribert Prantl, dann zumindest indirekt in leise Zweifel gezogen. Es müsse in der Debatte um die Verteidigung der Freiheit und des Völkerrechts gehen, meinte Prantl, aber auch um den Preis für diese Verteidigung, der in Menschenleben gemessen werde sowie um das „reale“ Risiko eines Atomkrieges.

Strack-Zimmermann aber hänge dogmatisch und fundamentalistisch allein an der Verteidigungsposition: „Das kreide ich Ihnen an, dass Sie für die andere Seite kein Ohr haben und deren Position als Verrat und als Schande bezeichnen.“ Und dass sie sich beispielsweise von Ukrainern in ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Stier (Taurus) habe stecken lassen, das sei kein ernster Umgang mit dem Thema Tod.

Lumpenpazifist oder Kriegstreiber?

Auch die Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff, außenpolitischen Beraterin der Bundesregierung, wünschte sich von Strack-Zimmermann einen zurückhalterenden Ton, denn die Debatte mit den gegenseitigen Vorwürfen – „Lumpenpazifist“ oder „Kriegstreiber“ – sei jetzt schon polarisiert.

Strack-Zimmermann zeigte sich von der Kritik unbeeindruckt. Sie habe zwar ein Temperament, sie könne aber auch die „gepflegte Rede“. Von Prantl wollte sie wissen, wieso der die Taurus-Waffe eigentlich für gefährlich halte. Der antwortete mit einem Hinweis auf deren Reichweite, die könne ja bis Moskau fliegen und den Konflikt eskalieren. Der „Süddeutschen“-Kolumnist sprach sich dafür aus, Verhandlungen mit Moskau „einzufädeln“, in der Schweiz angesetzte Gespräche ohne Russland seien doch sinnlos. Auf Miosgas Frage, ob er denn auch mit Putin verhandeln würde, meinte Prantl: „Ich würde sogar mit dem Teufeln verhandeln, wenn es darum geht, das große Töten zu beenden.“

Wer könnte bei Friedensverhandlungen vermitteln?

Beim Thema Friedensgespräche fielen interessante Zwischentöne. Anders als bei Waffenlieferungen könne man über Diplomatie öffentlich nicht sprechen, meinte Nicole Deitelhoff. Aber natürlich laufe da etwas im Hintergrund. Auch Strack-Zimmermann sprach von Bemühungen um Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland: „Ich kann Ihnen keine Details sagen. Der Globus wird natürlich gescannt.“ Es sei jedenfalls nicht so, „dass wir das Gespräch nicht suchen“, hatte sie zuvor schon eingeräumt. Aber nur eine starke Ukraine werde „Putin und seine Schergen“ dazu bewegen, sich mit ihr an einen Tisch zu setzen.

Als möglicher Mediator oder Vermittler waren von Prantl dann China, Brasilien oder der „globale Süden“ genannt worden. Beim Papst als eventueller Vermittler waren sich die Katholiken Strack-Zimmermann und Prantl einig, den mal lieber Papst sein zu lassen. Aber zu China fand die FDP-Frau Strack-Zimmermann relativ offene Worte: „China könnte was bewirken. Es hat kein Interesse, dass dieses Europa völlig desolat wird.“ Und es könne als Unterstützer von Russland „eine Rolle spielen“. Chancen ergeben sich beim Putin-Besuch im Mai in China, sowie bei der Reise von Chinas Staatspräsident Xi Jinping nach Frankreich.

Raufende Schülerin Agnes-Marie

Vom verbalen Raubein Strack-Zimmermann war in der Talkrunde wenig zu hören, und so spielte Miosga wohl zu Unterhaltungszwecken noch Erklärstücke über Strack-Zimmermann als junge „raufende“ Schülerin ein, die von ihren älteren Brüdern gelernt hatte, wie man auch größere Buben „zu Fall“ bringt, von deftigen Zitaten ihres Motorradtrainers („Guckst du Scheiße, fährst du Scheiße“) sowie von ihrer Faszination von Franz-Josef Strauß.

Aussage von FDP-Landesvorsitzenden in Thüringen lässt Politikerin kalt

Relativ kalt lässt Strack-Zimmermann offenbar die Absicht des Thüringer FDP-Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich, sie nicht zu Wahlkampfterminen einzuladen. Das sei vielleicht eine Retourkutsche auf ihre frühe Kritik an Kemmerichs Wahl zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten mit der Stimme der AfD unter Björn Höcke („absolute Katastrophe“).

Aber Kemmerich habe ja gar keinen Einfluss auf die Ortsverbände in Thüringen, so Strack-Zimmermann. In Brandenburg und Sachsen sei sie schon gewesen, und es seien noch 42 Tage bis zur Europawahl, ein diskreter Hinweis, dass alles noch offen ist. „Es ist eine Mär, dass ich nur im Westen Wahlkampf mache. Ich bin ganz nah dran an den Menschen.“

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Erstellt:
29. April 2024, 07:42 Uhr

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