Miss Germany könnte Finanzmisere von Weissach im Tal beenden

Beim Rathaussturm des Unterweissacher Carnevals-Clubs übernehmen die Narren das Regiment in Weissach im Tal und ziehen manch lokales Missgeschick durch den Kakao. UCC-Vorsitzende Heike Strohmaier schlägt vor: Die leere Kasse durch Fotoshootings mit Kira Geiss auffüllen.

Jockele Sandra Gerlich (Mitte) hat nicht nur beim Warm-up alle Hände voll zu tun und heizt die Stimmung vor dem Rathaus so richtig an. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Jockele Sandra Gerlich (Mitte) hat nicht nur beim Warm-up alle Hände voll zu tun und heizt die Stimmung vor dem Rathaus so richtig an. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Matthias Nothstein

Weissach im Tal. Fasching in unseren Breitengraden ist immer auch ein wenig Glückssache. Siehe die vergangenen Wochen, wo Regen und Schnee oder grimmige Kälte manch einen gehindert hätten, freiwillig auf die Straße zu gehen. Am Samstagmorgen aber meint es der Wettergott sehr gut mit den Narren des Unterweissacher Carnevals-Clubs (UCC) und all seinen Gästen. Zwar zeigt das Thermometer minus drei Grad an, aber strahlender Sonnenschein schmeichelt der Haut und lässt Wärmegefühle aufkommen. Und die Freude der Narren wärmt dazu noch von innen. Hunderte haben sich voller Vorfreude auf den Rathaussturm vor dem Unterweissacher Verwaltungstempel versammelt. Auch viele befreundete Vereine. So etwa Delegationen der Reichenberger Burghexen, des Backnanger Karnevals-Clubs, der Wetzsteinhexen aus Spiegelberg, der Murreder Henderwäldler, des Sulzbacher Carnevalsvereins oder der Narrenzunft Auenwald. Mit dem Erklingen von Helene Fischers „Atemlos“ formiert sich quasi automatisch eine Polonaise, vorneweg das Jockele und die blaue Garde, dahinter alle anderen Narren und alle Gäste, die nicht gerade einen Glühwein oder eine Rote ihr Eigen nennen. Später hauen die Lohkästrampler auf die Pauke und lassen alle Gäste im Takt schunkeln.

Wahl des UCC-Jockeles ist ein Glücksgriff

Sandra Gerlich ist das Jockele des UCC und somit so etwas wie die Symbolfigur der Unterweissacher Faschingsfreunde. Und diese hätten keine bessere Wahl treffen können. Die zweifache Mutter versprüht Lebensfreude ohne Ende, hüpft von einem Bein aufs andere, steht auf dem Dorfbrunnen und heizt die Stimmung an. Das Warm-up vor dem Rathaussturm über nimmt sie fast im Alleingang. Die Choreografie von „Komm hol das Lasso raus“ sitzt perfekt und nicht nur die Kinder fahren voll drauf ab. „Fasching ist die schönste Jahreszeit im Jahr. Mein Herz ist voll mit Konfetti und das muss raus“, so die Erklärung des Jockeles für ihre ansteckende Dauerfreude. „Als Jockele kann ich mich so richtig ausleben und ein ganz anderes Gesicht zeigen.“

Die Narretei kommt nicht von ungefähr. Ihr Vater hat den Verein mit aufgebaut. „So bin ich hineingewachsen. Ein Leben ohne Fasching geht nicht“, betont sie im Adrenalinrausch. Da verwundert es nicht, dass ihr Mann Mitglied im Elferrat und Standartenträger ist. Auch die Kinder sind kräftig aktiv, die Tochter tanzt in der roten Garde und der Sohn ist ein Batzenschmeißer.

Weitere Themen

Aller Widerstand nützt nichts: Bürgermeister Daniel Bogner muss den Schlüssel übergeben.

© Tobias Sellmaier

Aller Widerstand nützt nichts: Bürgermeister Daniel Bogner muss den Schlüssel übergeben.

Um 11.11 Uhr wird’s (narren-)ernst. Der Rathaussturm steht an. Traditionell. Heike Strohmaier ist erst fassungslos, dass sich im Rathaus noch nichts tut, und vermutet, das gesamte Amt könne noch im Beamtenschlaf liegen. Der folgende Wortwechsel zwischen der Narrenqueen und Rathauschef Daniel Bogner ist gespickt mit lokalpolitischen Spitzen und Anspielungen. Das Duo schafft es doch tatsächlich, den geänderten Paragrafen 13b des Baugesetzbuchs in seinen Dialog einzuarbeiten und ihn beziehungsweise die dadurch entfallenen Grundstückserlöse als Grund für die Misere in der Gemeindekasse auszumachen. Dass in jedem Witz auch ein Fünkchen Ernst steckt, wird deutlich, als Strohmaier das UCC-Vereinsheim anspricht, auf das die Narren nun seit 30 Jahren warten. Erneut aufs Tableau gebracht wird auch der peinliche Fakt, dass die neuen Feuerwehrautos nicht mehr in die alten Hallen passen. Um die leere Gemeindekasse wieder aufzufüllen, schlägt die UCC-Chefin ein Fotoshooting vor, und zwar mit der Miss Germany Kira Geiss, die aus Unterweissach kommt. Jeder Bürger, der ein Anliegen auf dem Rathaus hat, könne sich gegen eine Gebühr mit ihr ablichten lassen. „Und schon füllt sich ihr Finanztöpfchen wieder“, prophezeit Strohmaier.

Eine der zahlreichen Besucherinnen ist Anja Korell. Sie wohnt erst seit 2021 in Weissach und ist eigentlich kein Freund der Narretei. Trotzdem genießt sie mit ihren beiden Kindern die prächtige Stimmung und das Spektakel auf dem Platz vor dem Rathaus. Eine Mischung aus Bonbons, Schokoriegeln und Gummibärchen prasselt immer wieder in mehr oder weniger großzügigen Rationen aus den Fenstern des Rathauses auf das gemeine Volk nieder. Auch Korells Cousine Katharina Funk aus Winnenden steht inmitten der Narren. Die beiden Frauen haben sich am Morgen spontan verabredet, den Rathaussturm zu besuchen. Die Analyse des vierjährigen Leon bringt die Umstehenden zum Schmunzeln: „Es regnet Süßigkeiten.“ Und die Mutter ist sich in Bezug auf den kurzentschlossenen Besuch sicher: „Ein voller Erfolg.“

Brauchtum und Tradition hautnah

David Heidebrecht ist mit seiner Frau und den beiden Kindern mitten im Trubel. Die Familie ist erst vergangenes Jahr in den UCC eingetreten und seitdem vom Faschingsvirus infiziert und als Batzenschmeißer kräftig engagiert. „Wir sind mit großer Freude bei allen Veranstaltungen und freuen uns wieder, dass die Kampagne jetzt so richtig losgeht.“ Die Stimmung vor dem Unterweissacher Rathaus gefällt Heidebrecht besonders. „Gerade jetzt auch bei dem Sonnenschein und den Klängen der Guggenmusik, das ist super.“ Heidebrecht genießt das Gemeinschaftserlebnis. Und es gibt ihm ein gutes Gefühl, dass auch seine Kinder in die Dorfgemeinschaft hineinwachsen und das Brauchtum und die Tradition hautnah erleben können.

Zum Artikel

Erstellt:
22. Januar 2024, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Tour durch Naturgärten in Weissach und Waldrems

Zum Saisonstart von „Backnang blüht auf“ geht es auf einer Führung durch zwei naturnah gestaltete Gärten. Sie zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, die Bedingungen für Flora und Fauna zu verbessern.

Stadt & Kreis

Im Herbst soll der Auenpark in Weissach fertig sein

Der Gemeinderat von Weissach im Tal hat seine Zustimmung zum zweiten Bauabschnitt des Parks gegeben. Dort soll vor allem der Däfernbach renaturiert und erlebbar werden. Die Gesamtkosten für das Projekt liegen derzeit bei zirka 290.000 Euro.

Die Mütter Marina (links) und Andrea Bohn feiern mit ihren Söhnen Henry, Hugo und Hannes den Muttertag und Vatertag jeweils als Familientag. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Vatertag und Muttertag im Doppelpack

In diesem Jahr liegen die beiden Feste, an denen traditionell jedes Elternteil für sich gefeiert wird, nur drei Tage auseinander. Zwei Regenbogenfamilien, in denen zwei Mütter beziehungsweise zwei Väter die Eltern sind, geben Einblicke, wie sie diese Feiertage begehen.