Regierungschef tritt zurück

Schwere Zeiten für Schottlands Unabhängigkeitsbewegung

Humza Yousaf dankt als Regierungschef Schottlands ab – nachdem er sich verkalkuliert und die Basis seiner Koalition zerstört hat.

Yousaf verlässt seinen Amtssitz in Edinburgh.

© dpa/Andrew Milligan

Yousaf verlässt seinen Amtssitz in Edinburgh.

Von Peter Nonnenmacher

Fünf Tage lang kämpfte er verzweifelt um sein Amt als Regierungschef Schottlands. Am Montag aber gab Humza Yousaf notgedrungen auf und gab seinen Rücktritt als SNP-Chef bekannt. Regierungschef bleibt er, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist. Mit der ebenso forschen wie unbedachten Auflösung seiner Koalition mit den schottischen Grünen vorige Woche hatte sich der Chef der Schottischen Nationalpartei (SNP) in eine ausweglose Situation manövriert. Seine Aktion hat seine Partei und die schottische Unabhängigkeitsbewegung in eine neue schwere Krise und die Politik in Edinburgh in beträchtliche Turbulenzen gestürzt.

Gerade einmal 13 Monate lang war Yousaf Vorsitzender der SNP und damit Regierungschef Schottlands. Sein Vorvorgänger Alex Salmond, der inzwischen die kleine Alba-Partei führt, nennt ihn spöttisch „Humza den Kurzen“ („Humza the Brief“).

Vorwurf der Grünen: SNP driftet unter Yousaf nach rechts

Im März vorigen Jahres trat Yousaf die Nachfolge der damals überraschend aus dem Amt geschiedenen SNP-Regierungschefin Nicola Sturgeon an. Er fand in der schottischen Bevölkerung aber wenig Anklang und geriet zunehmend auf Kollisionskurs mit seinen Koalitionspartnern von der Grünen Partei. An mehreren Fronten bestanden die Grünen auf einen „progressiveren“ Kurs, als Humza Yousaf ihn einzuschlagen bereit war. In der Energiepolitik signalisierte der Regierungschef zuletzt einen langsameren Übergang von der Gas- und Öl-Gewinnung zu Formen erneuerbarer Energie als geplant.

Scharfe Proteste im grünen Lager löste diesen Monat aus, dass Yousaf die von der Koalition für 2030 vereinbarten Ziele zur Reduktion von Schadstoffen herabstufte. Generell, murrten viele grüne Politiker, rücke die SNP unter Yousaf „immer weiter nach rechts“. Das führte zur Forderung nach einer Abstimmung über den Fortbestand der Koalition in den Reihen der Grünen – wiewohl die Grünen-Vorsitzenden Patrick Harvey und Lorna Slater sich für die Weiterführung der Koalition stark machten. Umgekehrt hatte Yousaf stets beteuert, wie wichtig ihm die noch von Sturgeon arrangierte Koalition sei.

Am vorigen Donnerstag aber feuerte er, ohne alle Vorwarnung, Harvey und Slater, seine beiden grünen Minister. Offenbar war ihm ein solches Vorgehen angeraten worden, um die Autorität der SNP zu stärken. Bei der SNP ging man davon aus, dass die Grünen keine andere Wahl hätten, als die SNP im Parlament weiter zu unterstützen. Tatsächlich zerschlug Yousaf aber über Nacht die Basis der eigenen Politik.

Ohne die Grünen verfügt die SNP nämlich nur über 63, die Opposition aber über 65 Sitze. Prompt kündigten die schottischen Konservativen einen Misstrauens-Antrag gegen Yousaf persönlich und die schottische Labour Party eine Misstrauens-Erklärung gegen die ganze SNP-Regierung an.

Auch die Entschuldigung half nicht mehr

In der Folge signalisierten die Grünen, Yousaf nicht weiter beizustehen oder seine Minderheitsregierung auch nur zu tolerieren. Auch eine halbe Entschuldigung Yousafs (er habe „nicht beabsichtigt“, seine Ex-Partner dermaßen „zu verärgern“) änderte daran nichts. Yousafs einstige SNP-Rivalin Ash Regan, inzwischen in Alex Salmonds kleiner Alba-Partei, bot ihre Unterstützung an, so Yousaf auf eine Liste von Forderungen eingehe. Alba-Chef Alex Salmon offerierte Yousaf einen „Pakt“, doch das Angebot löste wenig Begeisterung aus bei der SNP.

Am Ende blieb Yousaf nur der Rücktritt. Bei der SNP sucht man nun die ramponierte Koalition mit den Grünen wieder instand zu setzen. Was SNP, Grüne und Alba verbindet, ist das Ziel nationaler Unabhängigkeit für Schottland. Als potenzieller neuer SNP-Parteichef war am Montag John Swinney im Gespräch, der zeitweise schon einmal Parteivorsitzender war und Nicola Sturgeons Vize.

Zum Artikel

Erstellt:
29. April 2024, 16:32 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen