Tag des Gesundheitsamts im Rems-Murr-Kreis

Am heutigen Dienstag ist der Tag des Gesundheitsamts. Aus diesem Anlass stellen wir einige Angebote der Behörde vor. Da sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, sollen von vielen Angeboten gerade auch sozial benachteiligte Menschen erreicht werden.

Isabel Keppler-Anczykowski gehört zum Team des Gesundheitsamts, das unter anderem auch auf Krankheiten testet. Fotos: Gabriel Habermann

© Gabriel Habermann

Isabel Keppler-Anczykowski gehört zum Team des Gesundheitsamts, das unter anderem auch auf Krankheiten testet. Fotos: Gabriel Habermann

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Im Gesundheitsamt des Rems-Murr-Kreises hat sich einiges getan. Vieles davon sei durch die Coronakrise befeuert worden, führt Amtsleiterin Dagmar Behringer aus. „Wir waren personell und strukturell viel zu schlecht aufgestellt“, sagt sie. Das hat sich geändert: Die Zahl der Mitarbeitenden ist von knapp 60 auf derzeit 84 angestiegen. Sie bearbeiten eine breites Themenspektrum rund um die Gesundheit. Da geht es um den Infektionsschutz, um Unterstützung zur Selbsthilfe, um Aufklärung, um die gesundheitlichen Belehrungen im Lebensmittelbereich und mehr. Und das Arbeitsfeld wird an Komplexität zunehmen. „Es wird neue Erreger geben. Zudem stellen uns Klimawandel und demografischer Wandel vor Herausforderungen“, erklärt Dagmar Behringer.

Sie und ihr Team haben eine weitere Entwicklung festgestellt: Die soziale Ungleichheit, welche zum heutigen deutschlandweiten Tag des Gesundheitsamts zum Motto gemacht wurde, nimmt im Gesundheitswesen zu. „Armut kann krank machen“, verdeutlicht Dagmar Behringer. Das kann durch ein geringeres Einkommen oder den sozialen Status beeinflusst werden, durch prekäre Arbeitsbedingungen, vor allem aber auch durch einen geringeren Bildungsstandard. „Die Gesundheitskompetenz fehlt bei vielen Menschen“, resümiert die Amtsleiterin. Dabei können verschiedene Angebote des Gesundheitsamts präventiv wirken, andere sind Hilfen in Notlagen. Einige davon seien hier vorgestellt:

Krisen-, Klärungs- und Vermittlungsdienst (KKV) für psychisch kranke Menschen Jochen Seiler und sein Team unterstützen Erwachsene in schwierigen sozialen Lagen. Das sind vor allem psychisch kranke Menschen, die sich auffällig verhalten, Suchterkrankte, zunehmend aber auch verwahrloste Menschen. „Wenn die Personen nicht mehr in der Lage sind, sich selbst Hilfe zu holen, beraten und begleiten wir sie und vermitteln sie an geeignete Stellen weiter“, fasst er zusammen. Die Klientel, sagt er, seien Menschen am Rand der Gesellschaft. Personen, denen es schwerfällt, ihren Alltag zu strukturieren und zu meistern. „Diese Abwärtsspirale ist schwer zu unterbrechen“, weiß der Fachkrankenpfleger für Psychiatrie. Nicht selten ende sie in einer Depression und/oder einem Suizidversuch. Um das zu verhindern, ist der KKV zur Stelle. Es handelt sich um eine Hilfe zur Selbsthilfe. Möchte eine Person sie nicht annehmen, so wird sie auch nicht dazu gezwungen, es sei denn, eine Selbst- oder Fremdgefährdung ist anzunehmen. „Alle dürfen sich melden, die auf so einen Fall aufmerksam werden“, sagt Jochen Seiler. In etwa 80 Prozent der Fälle trifft das KKV-Team die Personen an, bei einem Großteil sei Hilfe möglich. Zwischen 260 und 290 Anfragen bekomme sein Team pro Jahr. Oft seien lange Gespräche nötig, um zu der betroffenen Person durchzudringen – diese nehmen sich die Fachkräfte auch. Erreichbar ist der KKV Montag bis Freitag jeweils von 8.30 bis 12 Uhr und Montag bis Donnerstag jeweils von 13.30 bis 15.30 Uhr unter 0176/ 10880770 oder per E-Mail an kkv@rems-murr-kreis.de.

Selbsthilfekontaktstelle Wer die eigenen Probleme in einer Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen besprechen kann, erlebt die eigene Lebensqualität als besser, sagt Ilse Schmid vom Fachbereich Gesundheitsplanung. Die verschiedenen Gruppen im Rems-Murr-Kreis werden daher von der Kontaktstelle unterstützt, eine Vernetzung wird gefördert und Suchende werden an die richtige Stelle verwiesen. Aktuell gibt es im Kreis 124 verschiedene Selbsthilfegruppen – in den Bereichen Behinderung, psychische Erkrankung, Sucht, aber auch mit psychosozialem Bezug, also etwa bei Trauer oder Trennung. Aktuell begleite man darüber hinaus zwei Gruppen (zu den Themen Borderline-Diagnose und bipolare Störung), die sich in der Gründungsphase befinden. Zudem gibt es seit 2022 die Junge Selbsthilfe, welche Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren den Zugang zu gemeinschaftlicher Selbsthilfe in Gruppen erleichtern soll. Die Selbsthilfekontaktstelle ist telefonisch erreichbar unter 07151/501-1683 und per E-Mail an selbsthilfe@rems-murr-kreis.de.

Im Neubau in der Rötestraße in Waiblingen ist das Amt mit all seinen Fachbereichen und Diensten angesiedelt.

© Gabriel Habermann

Im Neubau in der Rötestraße in Waiblingen ist das Amt mit all seinen Fachbereichen und Diensten angesiedelt.

Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung Eine Schwangerschaft bringt große Veränderungen im Leben. Bei der im Gesundheitsamt angegliederten Beratungsstelle bekommen Schwangere und ihre Partner oder Partnerinnen Hilfe in jener Zeit. Häufige Themen seien finanzielle Notlagen, Wohnungsnot und eine sich abzeichnende Phase als Alleinerziehende, sagt Sozialpädagogin Annika Siegle. Hier können die Expertinnen Hilfen und Unterstützungsangebote aufzeigen. Ängste bestünden oft auch dahingehend, ob das Kind gesund ist. Auch werde in Sachen Schwangerschaftsabbruch oder bei unerfülltem Kinderwunsch beraten. Die Klientel sei sehr unterschiedlich und reiche von wohlhabenden Paaren über alleinerziehende Mütter bis hin zu geflüchteten Familien. Folglich ist die Arbeit der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung sehr bedarfsorientiert. Ein Beratungsgespräch kann vereinbart werden unter den Nummern 07151/501-1622, -1611 und -1957.

Beratungsstelle für sexuell übertragbare Infektionen Dass die soziale Schere sehr aufgegangen ist, bekommt auch Mathias Pivoto Bolter bei seiner Arbeit in der Beratungsstelle für sexuell übertragbare Infektionen (STI) immer wieder vor Augen geführt. „Manche 15- oder 16-Jährige wissen nicht, was Aids ist, andere setzen sich intensiv mit Krankheiten wie HPV und Ähnlichem auseinander.“ Umso wichtiger sei es, dass das sexualpädagogische Angebot des Gesundheitsamts weiterentwickelt wurde und etwa mit der Kampagne „Safe& Sound“ in Schulklassen der Stufe 8 und 9 vertreten ist. Doch die Arbeit der Beratungsstelle richtet sich längst nicht nur an Schulen. Im Gegenteil: Jeder und jede kann hier anonym, kostenlos und niederschwellig beraten werden. Menschen mit wechselnden Partnern, Personen mit hohem Ansteckungsrisiko für HIV oder Männer, die bei Prostituierten waren, zählen etwa zu jenen, die dort vorstellig werden. Mehr Infos unter https://t1p.de/STIBeratung.

Und eine weitere Aufgabe übernimmt die Beratungsstelle, wie Sozialarbeiterin Melanie Fezer ausführt: Sie nimmt das verpflichtende Gespräch nach dem Prostituiertenschutzgesetz vor, das die Anwärterinnen (in überwältigender Mehrzahl sind es Frauen) auf einen Job in der Sexarbeit bei ihrer Anmeldung führen müssen.

Infektionsschutz Manche Krankheiten galten hierzulande schon beinahe als ausgerottet, doch steigen inzwischen die Fallzahlen wieder. Dazu zählen die Masern, aber auch bei der Tuberkulose gibt es viele neue Fälle. Tessa Orgassa vom Bereich Infektionsschutz und Umwelthygiene hat damit zu tun. Und sie weiß, was in vielen Fällen am besten hilft, nämlich eine Impfung. Die Gefahr vieler Krankheiten, wie etwa Diphtherie, sei den Menschen hierzulande nicht mehr bewusst. Umso wichtiger ist die Aufklärung. In Geflüchtetenunterkünften war das Gesundheitsamt bereits mit Impfaktionen vor Ort im Einsatz. „Hier leben auf engem Raum viele Leute“, verdeutlicht Tessa Orgassa die Notwendigkeit. Außerdem werde den Kindern so eine Teilhabe in Kitas und Schulen ermöglicht. Noch keine wirksame Impfung gibt es hingegen gegen Tuberkulose. Hier ist das Amt vor allem in der Nachverfolgung von Kontaktpersonen im Einsatz, um Infektionsketten zu unterbrechen. Da es sich bei Betroffenen meist um ausländische Staatsbürger handelt, sei die Kommunikation schwierig. Das Team vom Infektionsschutz ist erreichbar per E-Mail an infektionsschutz@rems-murr-kreis.de.

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Erstellt:
19. März 2024, 06:00 Uhr

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