Begegnungscafé der Kirche vor Ort in Murrhardt: Treffpunkt, Schutzraum und Lernort

Bürgerpreis 2023 Das Begegnungscafé der Kirche vor Ort in Murrhardt ist für Menschen in schwierigen Lebenslagen ein Anlaufpunkt und hält viele Angebote bereit. Gleichzeitig hat es durch Offenheit und Beständigkeit einen integrativen Charakter. Es wird von Ehrenamtlichen getragen.

Der Name ist Programm: Im Begegnungscafé besteht die Chance, ganz unterschiedliche Menschen zu treffen. Das ehrenamtlich getragene Projekt in Murrhardt besteht seit über 20 Jahren. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Der Name ist Programm: Im Begegnungscafé besteht die Chance, ganz unterschiedliche Menschen zu treffen. Das ehrenamtlich getragene Projekt in Murrhardt besteht seit über 20 Jahren. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Eine Gruppe von Frauen sitzt am Tisch neben dem Eingang am Fenster bei Cappuccino und Kaffee. Immer montags trifft sich die Runde im Begegnungscafé und lässt es sich gutgehen, wie Helga Bott erzählt. „So was Gemütliches finden Sie selten“, sagt sie und zeigt auf die Blumensträußchen auf den Tischen. Auch die Höhe des Milchschaums auf Kaffee und Cappuccino suche seinesgleichen. Brunhilde Borchers, Emma Schmidt-Lawrenz sowie Monika Freund fühlen sich im Café genauso wohl und wissen um die verschiedenen Gruppen und teils auch Menschen in schwierigen Lebenslagen, die dort einen Anlaufpunkt finden sowie Angebote wie beispielsweise Sozialberatung, Handarbeits- und Spieltreff, Singkreis, Selbsthilfegruppen und einen Treff für Trauernde.

Letztere beiden Frauen haben auch im Team der Ehrenamtlichen mitgearbeitet, die das Begegnungscafé tragen. Die 83-jährige Emma Schmidt-Lawrenz hilft nach rund 20 Jahren Engagement auch organisatorisch insofern immer noch mit, da sie die rund 50 Frauen koordiniert, die fürs Café Kuchen backen. „Ich finde am Café so klasse, dass es für Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen offen ist“, sagt Monika Freund. Ganz praktisch bedeutet das, dass die Preise für Getränke und kleinere Snacks und Speisen vergleichsweise gering sind und auch Menschen mit wenig Geld sich eine Einkehr leisten können.

Begegnungscafé der Kirche vor Ort in Murrhardt: Treffpunkt, Schutzraum und Lernort

Auf der Speise- und Getränkekarte des Begegnungscafés ist vermerkt: „Unsere Preise sind nicht kostendeckend – falls Sie möchten und können, dürfen Sie gern etwas mehr bezahlen.“ Eine Sache, die die Runde gerne und bewusst einlöst. Man spürt die Offenheit der Frauen gegenüber den anderen Gästen und ihre Wertschätzung für das Team sowie das gesamte Projekt. Gegenüber sitzt Hans Krauss, der Zeitung liest und gerne kommt. Außerdem kümmert er sich darum, dass es auf der Straße vor dem Haus sauber bleibt und gekehrt ist. Gabi Ozminski gehört zu den langjährigen, treuen Besucherinnen. „Es ist schön, hier mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen“, sagt sie und dass sie die Angebote des Cafés schätzt.

All das war und ist nicht selbstverständlich, erfordert vom Team und Förderverein der Kirche vor Ort sowie von der Fundgrube, die als Secondhandladen und zweites ehrenamtliches Projekt das Café finanziell unterstützt, viel Engagement. Durch Corona und die Folgen ist dies noch ein Stück mehr Kür im Sinne eines bürgerschaftlichen Engagements geworden. Mittlerweile sieht die Situation wieder etwas besser aus, wie Gerhard Erchinger, Vorsitzender von Kirche vor Ort, berichtet. Neben einigen Spenden konnten auch neue Ehrenamtliche gefunden werden, sodass das Team des Begegnungscafés nun wieder 28 Frauen und Männer umfasst.

Bevor Gerhard Erchinger sich im Förderverein engagiert hat, stand er selbst im Café, um für die Gäste da zu sein und zu bedienen. Ingrid Lüdecke, die das Begegnungscafé ins Leben rief und mit dem Team als soziales Projekt für Menschen in schwierigen Lebenslagen wie beispielsweise Obdachlosigkeit oder Suchterkrankung aufgebaut hat, hatte ihn angesprochen.

Die Überzeugung, dass jeder Fähigkeiten für die Gemeinschaft mitbringt

Die Ausrichtung wohnt auch in der ursprünglichen Haltung beziehungsweise Überzeugung von Gründerin Ingrid Lüdecke. „Sie hat immer gesagt, jeder Mensch verfügt über Fähigkeiten und ist in der Lage etwas zu tun, mit dem er andere unterstützen kann“, erzählt Evelin Kempter, die von Anfang an beim Projekt mit von der Partie ist. Sie holt zur Veranschaulichung ein Holzspiel aus dem Regal, das einer der Gäste in Handarbeit fürs Café gefertigt hat. Edith Rummer, die genauso bereits seit vielen Jahren als treue Mitarbeiterin zum Team gehört, nickt. In der Nähe steht ein Holzschrank, der sozusagen die Keimzelle des Gebrauchtwarenladens Fundgrube ist. Früher haben ihn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Spenden bestückt und die Gäste konnten sich bei Bedarf etwas nehmen. Das Team pflegt auch zu Einrichtungen wie der Awo-Geschäftsstelle eine partnerschaftliche Beziehung, beispielsweise stimmt man sich bei den Öffnungszeiten im Sinne der Gäste ab – auch die Awo hat einen Cafétreff. Für Evelin Kempter lässt sich über die Mitarbeit das soziale Engagement mit einer vielfältigen Tätigkeit verbinden – von Organisation über Betrieb bis hin zu Ausstellungen im Café. Ein Teilaspekt sind handwerkliche Arbeiten wie Taschen oder Geschenkkarten mit Stick- und Strickelementen, die von Teammitgliedern gefertigt und für den Cafébetrieb verkauft werden. Im Zentrum aller Zutaten im übertragenen Sinne: Die Wertschätzung gegenüber jedem Menschen als Gast, egal welcher Nationalität er angehört, welches Alter er hat und wie seine Lebensumstände sind. Das kann auch Edith Rummer unterschreiben. Was macht ihr Engagement aus? „Ich bin hier, weil es mir Freude macht, mit Menschen zu arbeiten“, sagt sie. „Wenn ich dann nach Hause gehe, habe ich ein gutes Gefühl.“

Leserpreis In einer Serie stellen wir die zehn Kandidaten aus unserem Verbreitungsgebiet vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind. Abstimmen für den eigenen Favoriten kann man vom 8. bis 17. September auf www.bkz.de.

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Erstellt:
21. August 2023, 06:00 Uhr

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