Twist, Jive und Rock’n’Roll im Hula Hoop

Nachtleben in alten Zeiten (9) Das Hula Hoop war der Backnanger Partytempel der 90er-Jahre und hat heute noch viele Fans. Das Publikum war damals genauso gemischt wie die Musik. Ein Besuchermagnet war die jährlich stattfindende Wahl zur Miss Backnang.

Beste Stimmung war im Hula Hoop immer garantiert. Der Partytempel hatte an sechs, manchmal sogar an allen sieben Tagen geöffnet.

Beste Stimmung war im Hula Hoop immer garantiert. Der Partytempel hatte an sechs, manchmal sogar an allen sieben Tagen geöffnet.

Von Andreas Ziegele

BACKNANG. Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins: Der Countdown des Soundtracks und die anschließende Melodie der TV-Serie Raumpatrouille aus den 60er-Jahren war der Start der DJs für das Backnanger Partyvolk im Hula Hoop. Und Party war fast jeden Abend angesagt.

Es war Ende der 80er-Jahre, als das Ehepaar Angelika und Theo Leitgeb die Idee hatte, in Backnang eine Oldie(Disko-)thek zu eröffnen. Ein Ort war schnell gefunden. In der Industriestraße wurde ein Lokal frei, das Schwabendorf, welches eher auf Blasmusik ausgerichtet war.

Am 3. August 1989 ging es unter dem Motto „Oldies but Goldies“ mit Musik aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren los. Auch ein Name hat sich da schnell angeboten: Hula Hoop. Er geht auf den Hula-Hoop-Reifen zurück, der in den 60er-Jahren ein beliebtes Sportgerät war.

Ein Mann der ersten Stunden war dabei Udo Bock, der heute in Abstatt bei Heilbronn lebt und immer noch als Discjockey arbeitet. „Ich habe ab 1990 im Hula Hoop Schallplatten aufgelegt“, erzählt Bock. Doch schon im Jahr 1994 sah es so aus, als wäre die Lokalität am Ende. „Das neu eröffnete Stargate im Hotel am Südtor hat dem Hula Hoop erst einmal den Todesstoß versetzt“, so der ehemalige DJ. Nach einem Umbau eröffnete hier Pepe’s Cantina, die sich aber nicht lange halten konnte. Der Neustart des Hula Hoop war dann im Jahr 1995. „Ich habe das Lokal übernommen und in den ursprünglichen Zustand zurückgebaut, es als Oldiethek wiedereröffnet und habe damit dem Stargate das Genick gebrochen“, erinnert sich Udo Bock.

Die alte Musik war einzigartig und charakteristisch

Dann beschreibt er auch das Besondere am Hula Hoop: „Charakteristisch und einzigartig war definitiv die alte Musik, die wir gespielt haben.“ Die Musik war wirklich komplett gemischt und reichte von Twist, Jive und Rock’n’Roll bis hin zu alten Schlagern. Es gab nur eine von dem Betreiber selbst auferlegte Regel: „Es war tatsächlich verboten, aktuelle Lieder im Hula zu spielen“, erzählt der ehemalige Betreiber und DJ. Es kam sogar vor, dass Heino gespielt wurde. Bei „Blau blüht der Enzian“ waren gefühlt alle Gäste textsicher, so erinnert sich Udo Bock. „Auch ‚Seemann, deine Heimat ist das Meer‘ von Lolita zählte zu den Liedern, bei denen das Publikum mitgegangen ist.“

Das damalige Publikum war nach seinen Worten genauso gemischt wie die Musik und zog sogar Gäste aus der weiteren Region an. „Man sah auch Mädchen in Petticoats und Teddy Boys, die dann Rock’n’Roll getanzt haben, als wäre man in den 50er-Jahren unterwegs“, erzählt Udo „von“ Bock schmunzelnd. Das „von“ hatte sich ein Bekannter für ihn als DJ-Name ausgedacht. „Ein DJ mit dem Namen Udo Bock hört sich einfach bescheiden an und daher hat er mir das ‚von‘ dazwischen eingebaut.“

Trainingsanzüge und Turnschuhe waren verpönt

Auch damals gab es schon Türsteher. „Das waren unsere eigenen Leute und keine Sicherheitsfirma“, sagt Bock. Bekleidungsvorschriften gab es keine, nur ein Outfit war verpönt und dessen Träger kamen dann auch an den Türstehern nicht vorbei: „Trainingsanzüge und Turnschuhe, wie es heute teilweise gang und gäbe ist, wollten wir im Hula nicht sehen“, so Bock. Auch stark angetrunkene Personen waren nicht gerne gesehen und wurden oft ebenfalls an der Eingangstür abgewiesen. An sechs, manchmal auch an sieben Tagen in der Woche hatte der Partytempel geöffnet, in der Regel von 20 Uhr bis zum Morgen des nächsten Tages um 4 Uhr. Dabei waren die beliebtesten Tage außerhalb des Wochenendes der Dienstag und der Sonntag. Das lag sicher auch an dem Programm an diesen beiden Tagen. Sonntags war „Ladies Night“ und es gab für jeden weiblichen Gast eine Überraschung. „Da war es immer richtig voll“, erzählt Bock. An einem Sonntag im November 1992 gab es dann etwas, dass es zuvor in Backnang noch nicht gegeben hatte. „Amadeus Men-Strip-Show“ war angesagt und selbstredend war dieser Abend „Only for Ladys“.

Udo „von“ Bock an seinem Arbeitsplatz im Hula Hoop. Fotos: privat

Udo „von“ Bock an seinem Arbeitsplatz im Hula Hoop. Fotos: privat

Auch die sporadisch stattfindenden Livekonzerte wurden von den Gästen geschätzt. Eines der Highlights, so erinnert sich Bock, fand am 18. Dezember 1992 statt. „Wir hatten die Wolle-Kriwanek-Band zu Gast“, sagt er nicht ganz ohne Stolz. Ebenfalls ein Besuchermagnet war die jährlich stattfindende Wahl zur Miss Backnang.

Der Dienstag war der sogenannte Mark-Tag. Jedes ausgewählte Getränk von einer verkleinerten Karte kostete eine Deutsche Mark. Oder aber auch eine Bottle-Party, bei der die Gäste ihre Getränke gegen eine Eintrittsgebühr von 15 Mark selber mitbringen konnten, stand auf dem Programm. Die beliebtesten hochprozentigen Getränke waren nach Aussage von Udo Bock zu dieser Zeit Jacky Cola, aber auch Asbach Uralt als „Gespritzter im Hütle“ und Wodka Orangensaft. „Aber eigentlich haben die Gäste alles verzehrt, was auf der Getränkekarte stand“, meint er.

Wann das endgültige Aus für das Hula Hoop kam, daran kann sich auch Udo Bock nicht mehr genau erinnern: „Das muss entweder 2003 oder 2004 gewesen sein.“ Also nach seiner Zeit, denn ihm wurde schon im Jahr 2000 der Pachtvertrag gekündigt und er hat keine Informationen darüber, wie es in diesen letzten Jahren gelaufen ist.

Heimlich die Lieblingsplatten untergejubelt

Tanja Häußer ist ebenfalls jemand, die sich noch gerne an die „Hula-Zeiten“ zurückerinnert. „Ich war im Alter von 16 im Jahr 1991 zum ersten Mal im Hula Hoop“, erinnert sie sich noch genau. Danach ist sie gewissermaßen Stammgast gewesen und trifft sich noch heute unregelmäßig mit ehemaligen „Hulalern“ und „Hulalerinnen“, um in Erinnerungen zu schwelgen und Anekdoten auszutauschen. Dabei verrät sie auch einen Trick, wie man es geschafft hat, dass am Abend auch die eigenen Lieblingslieder gespielt wurden: „Der DJ hat die Schallplatten, die er im Laufe des Abends noch spielen wollte immer ein Stück aus den Regalen herausgezogen. Heimlich haben wir dann unsere Wunschplatten auch herausgezogen. Das funktionierte anfangs wunderbar, aber irgendwann wurde es leider doch durchschaut.“ Was sie besonders am Hula Hoop schätzte war, dass man, auch wenn man nicht verabredet war, einfach hingehen konnte. „Es gab immer jemanden, den man kannte, und man war also nie alleine“, erzählt die Auenwalderin.

Dann fällt ihr auch noch ein, was am Ende einer Partynacht das Rausschmeißerlied war: „Gute Nacht Freunde“ von Inga&Wolf. Udo Bock ergänzt an dieser Stelle: „Ich hab auch ab und zu ‚Wer hat an der Uhr gedreht‘ aus dem Paulchen-Panther-Film gespielt.“ Dann war allen Gästen klar, dass sie nach Hause müssen. Häußer findet es schön, dass es heute noch Hula-Hoop-Revivalpartys gibt. „Das ist dann immer wie ein Klassentreffen oder das Straßenfest. Man trifft Leute, die man sonst nicht mehr sieht“, sagt Häußer. Auch wenn es in diesem Jahr keine geben wird. „Die Organisation dieser Veranstaltungen aus Termin- und aber vor allem aus Ortsgründen wird immer schwieriger“, bedauert Bock.

Wunsch nach einem Revival

Mit dem Wunsch nach Revivalpartys und der Erinnerung an alte Zeiten ist Häußer nicht allein. Allein die Hula-Hoop-Facebook-Gruppe hat über 1000 Mitglieder und besteht seit 13 Jahren. Dort wird auch heute noch reichlich gechattet und gepostet. Der Administrator der Gruppe ist in der Region Backnang kein Unbekannter. Es ist Jürgen Trzcinski, besser bekannt als DJ Cheasy, der seine ersten Auftritte im Hula Hoop hatte und für Partystimmung sorgte.

Und wer Udo „von“ Bock mal wie in alten Zeiten live erleben möchte, hat dazu beim Backnanger Straßenfest Gelegenheit. Von Freitag bis Montag macht der 63-Jährige die Musik bei der After-Show-Party im Restaurant Kunberger am Marktplatz. Weitere Informationen gibt es unter https://www.facebook.com/groups/180451986651.

Infos und Fotos erwünscht Für unsere nächsten Folgen, die sich Lokalen, Clubs und Discotheken wie den Kneipen Pinte oder Mitsou widmen, suchen wir noch Fotos und Anekdoten. Schreiben Sie uns per E-Mail an redaktion@bkz.de.

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Erstellt:
17. Juni 2023, 11:30 Uhr

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