Verwaltung im Raum Backnang muss für KI digitaler werden

Schlaue Systeme (10) Überall dort, wo das Automatisieren von Arbeitsprozessen Zeitersparnis bringen könnte, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz hoch im Kurs. In der öffentlichen Verwaltung und bei Behörden gibt es jedoch einige bürokratische Hürden.

Um die Vorteile der KI nutzen zu können, müssen Daten und Arbeitsvorgänge der Behörden digitalisiert werden. Foto: Adobe Stock/Christian

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Um die Vorteile der KI nutzen zu können, müssen Daten und Arbeitsvorgänge der Behörden digitalisiert werden. Foto: Adobe Stock/Christian

Von Carolin Aichholz

Rems-Murr. Während der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der freien Wirtschaft bereits viele Wettbewerbsvorteile bringen kann, scheint die öffentliche Verwaltung in diesem Punkt nicht so recht in die Gänge zu kommen. Die hiesigen Behörden äußern Interesse und wittern bereits Ansatzpunkte, nutzen bisher jedoch keine Unterstützung, die auf KI basiert.

Laut einer Erhebung des deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) sehen rund zwei Drittel der Kommunen in Deutschland den Einsatz von KI als Chance in der täglichen Arbeit. Er könnte auch eine mögliche Lösung für den Fachkräftemangel sein, der den Verwaltungen bevorstehen könnte. Bis 2030 sollen laut Prognosen rund 840000 Mitarbeiter fehlen.

Aktuell nutzen bundesweit dennoch nur acht Prozent der Kommunen bereits KI oder automatisierte Systeme in ihrer Verwaltung. Das könnte vor allem daran liegen, dass bislang noch klare Regeln von Bund oder Ländern dazu fehlen. Die Europäische Union hat bereits einen rechtlichen Rahmen abgesteckt, um bessere Bedingungen zur Entwicklung und Nutzung der Technologie zu schaffen. Bund und Länder arbeiten momentan noch an einer konkreten Strategie. Aktuell im Aufbau befindet sich ein „Beratungszentrum für künstliche Intelligenz“, das eine zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für KI-Vorhaben in der Bundesverwaltung werden soll.

Ideen für Einsatzmöglichkeiten der künstlichen Intelligenz in der Verwaltung gibt es viele, einige werden bereits genutzt:

Bürgeramt Den Weg zum Amt können sich Backnangs Einwohner oft sparen, viele Anträge lassen sich inzwischen digital stellen. Laut dem städtischen Pressesprecher Christian Nathan seien das mittlerweile 256 Vorgänge und weitere 30 sollen bis Jahresende dazukommen. Das habe bislang auch Priorität und binde personelle Ressourcen, bestätigt Nathan. Sei dieser Grundstein gelegt, stehe man dem Einsatz von künstlicher Intelligenz grundsätzlich offen gegenüber, auch wenn der persönliche Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin wichtig sei.

Wie hier künstliche Intelligenz eingesetzt werden könnte, zeigt die Stadt Heidelberg. Dort gibt es auf der Website des Bürgeramts einen Chat-Roboter namens Hardy. Hat ein Bürger eine bestimmte Frage an die Stadtverwaltung, muss er die Antwort nicht mühsam auf der Website suchen, sondern kann sie einfach dem virtuellen Beamten stellen. Der greift auf alle öffentlichen Informationen der Stadtverwaltung zurück, um gezielt die Frage des Nutzers zu beantworten.

In Heilbronn verwendet man KI bereits seit November 2020 im Stadtarchiv. Als Vorreiterprojekt werden dort neue Bildbestände mithilfe einer Software automatisch verschlagwortet. Das Programm wurde so „trainiert“, dass es mittlerweile 200 Gebäude und 1800 Personen erkennen kann, etwa ehemalige Oberbürgermeister der Stadt.

Landratsamt Das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises nutzt bislang keine KI-Tools. Pressesprecherin Melanie Barth berichtet auf Nachfrage allerdings: „Wir legen mehr Wert auf die Automatisierung bestimmter Prozesse. Dadurch versuchen wir, personelle und zeitliche Ressourcen einzusparen.“ Dabei muss das System oder das Programm während der fortlaufenden Nutzung nichts dazulernen, was bei einer KI eigentlich entscheidend ist. Es reicht das Abarbeiten automatisierter Arbeitsvorgänge.

Während der Coronapandemie mussten bestimmte Prozesse, wie das Erfassen der Coronaerkrankten doch recht schnell digitalisiert werden. Die Menge an ankommenden Daten und das Erfassen und Weiterleiten der Coronainfizierten überstiegen die personellen Kapazitäten.

Dafür nutzten die Gesundheitsämter bald eine entsprechende Software, die sich auch darin bewährt hat, Daten zu erfassen und ans Landesgesundheitsamt weiterzuleiten. Das Landratsamt denkt nun über weitere Einsatzmöglichkeiten wie etwa bei meldepflichtigen Krankheiten nach. Es sei jedoch auch in Zukunft eher mit einer schrittweisen Entwicklung zu rechnen, die keine plötzlichen und fundamentalen Veränderungen bringen wird, so Melanie Barth.

Finanzamt Die Finanzverwaltung in Baden-Württemberg sieht bereits viele Möglichkeiten in der Verwendung von KI und nutzt sie auch bereits. Ein Steuer-Chatbot gibt Auskünfte zu steuerfachlichen oder organisatorischen Anliegen, berichtet die Pressesprecherin der Oberfinanzdirektion Karlsruhe. Er habe sich vor allem im Zuge der Grundsteuerreform bewährt, entlaste die Finanzämter und biete den Bürgern einen allzeit verfügbaren Service.

Auch bei der Steuerprüfung, vor allem bei der Steuerfahndung werden in ganz Baden-Württemberg „komplexe Datenanalyse-Tools und KI-Komponenten“ eingesetzt, um die enormen Datenmengen in kurzer Zeit analysieren und Auffälligkeiten feststellen zu können.

Zoll Die Financial Intelligence Unit (FIU) ist die nationale Zentralstelle, die Verdachtsmeldungen über auffällige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten, sammelt. In ihre Analysen fließen relevante Daten von Verwaltungs-, Finanz- und Strafverfolgungsbehörden mit ein. Lassen sich daraus Anhaltspunkte für Geldwäsche oder sonstige Straftaten erkennen, gibt die FIU wiederum diese Informationen an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter. Dabei kann seit Ende 2020 auch „bei Bedarf“ ein Programm zurate gezogen werden, das auf KI basiert und dabei mit fortlaufender Nutzung auch immer weiterlernt. Über die genaue Funktionsweise, die Einsatzmöglichkeiten und darüber, wie erfolgversprechend das Programm ist, erteilt der Zoll jedoch keine weiteren Auskünfte.

Die große Hürde Die Planung und Umsetzung von KI-Technologien müssen im Einklang mit dem bestehenden rechtlichen Rahmen für die öffentliche Verwaltung erfolgen, sagt Melanie Barth, die Pressesprecherin des Landratsamts Rems-Murr.

Damit meint sie vor allem Datenschutzbestimmungen, die es zu beachten gilt, aber auch ethische Grundsätze und hohe Anforderungen an die Transparenz, nach welchen Kriterien eine künstliche Intelligenz arbeitet und dazulernt. Diese Punkte werden für den Einsatz einer KI in der öffentlichen Verwaltung entscheidend sein.

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Erstellt:
9. Dezember 2023, 06:00 Uhr

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