Viren im Festzelt nicht von Lebensmitteln

Das Gesundheitsamt gibt Entwarnung, die Noroviren-Infektionen gingen nicht von Lebensmitteln aus. In den Kliniken bleibt die Lage entspannt. Und die Gäste auf dem Frühlingsfest bleiben dem Cannstatter Wasen treu: Sie lassen sich nicht vom Gang ins Festzelt abhalten.

Bundesweit ist nach den Krankheitsfällen über das Stuttgarter Frühlingsfest berichtet worden. Hier ein Bild von der Eröffnung.

© Lichtgut//Ferdinando Iannone

Bundesweit ist nach den Krankheitsfällen über das Stuttgarter Frühlingsfest berichtet worden. Hier ein Bild von der Eröffnung.

Von Uwe Bogen, Annika Mayer

Stuttgart - Die Zahl der Krankheitsfälle nach Besuchen auf dem Stuttgarter Frühlingsfest ist mittlerweile auf 727 gestiegen. Seit Donnerstag steht fest: An den Lebensmitteln, die bei Göckelesmaier serviert wurden, lag es nicht, dass sich die hoch ansteckenden Noroviren rasant verbreitet haben. Das Gesundheitsamt hat unzählige Proben im betroffenen Zelt von Sonntag bis Dienstag genommen und dabei keinerlei Verunreinigungen festgestellt.

„Wir gehen davon aus, dass die Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt ist“, sagt Stadtsprecher Sven Matis unserer Redaktion. Die städtische Pressestelle erklärt: „Die Probeergebnisse auf Noroviren sind alle negativ, sowohl bei den Tupferproben als auch bei den beprobten Lebensmitteln. Endgültige mikrobiologische Probeergebnisse folgen Ende der Woche. Gesichert ist, dass keine Übertragung der Noroviren durch die vom Gesundheitsamt beprobten Lebensmittel stattgefunden hat.“ Und die Besucher auf dem Cannstatter Wasen? Bleiben entspannt und lassen sich nicht vom Gang im Festzelt abhalten.

Aus dem Göckelesmaier-Zelt kommen Thomas, Axel und Karl-Heinz, die ihren Nachnamen nicht veröffentlicht sehen wollen. „Das Bier hat geschmeckt und der Gockel auch“, ist Karl-Heinz’ Fazit. Sorgen, sich anzustecken, machen sich die drei keine, für sie geht es direkt weiter ins nächste Zelt. Thomas Lailach, der mit seiner Frau und seinen Kindern über den Wasen schlendert, sieht es ebenfalls locker. „Das passiert. Das reicht, wenn einer den Mist mitbringt.“ Gestern habe er ins Göckelesmaier-Zelt reingeschaut, dort sei es voll wie immer gewesen. Auch er ist entschlossen, ins Festzelt zu gehen und macht sich keine Gedanken, ob er sich anstecken könnte. „Da müsste man zuhause bleiben.“

Ähnlich sieht das Marcel Baker: Man könne sich genauso gut in der Bahn anstecken, sagt er. „Man kann sich überall etwas einfangen, da kann man nichts machen“, sagt Ludger Bachem, der zusammen mit Isolde und Bernd Mückenhaupt in einem Zelt zu Mittag gegessen hat. „Eigentlich müsste man unbedingt ins Zelt, da bekommt man jetzt nichts. Da ist alles desinfiziert und sauber“, sagt Bernd Mückenhaupt.

Gedanken über den Besuch im Festzelt hat sich dagegen eine Gruppe junger Frauen gemacht – und sich dann doch dafür entschieden. „Wir haben gesagt, solange nicht zugemacht wird, gehen wir“, erklärt Mara Kühnel. „Da wird bestimmt desinfiziert und gut darauf geachtet“, sagt auch Anne Riehle. Unvorbereitet sind die Frauen jedoch nicht: Sie haben Desinfektionsmittel dabei.

Auch Elisabetta Rinaldi ist gewappnet und hat sich entsprechende Tabletten besorgt, erzählt die Italienerin lachend, die mit einer Freundesgruppe angereist ist. In Italien habe man bisher von der Infektionswelle noch nichts mitbekommen. Aufmerksam darauf wurde sie durch einen Artikel, den ihr eine Tante aus Frankfurt zugeschickt hat. „Da dachten wir, okay, gehen wir hin?“, sagt Rinaldi. „Aber wir hatten schon alles gebucht.“ Sorgen mache sich die Gruppe nicht. „Bei der Menge der Menschen, die herkommt, sind ein paar Hundert Erkrankte nicht so viel“, sagt Rinaldi. Jens Schenker würde das Frühlingsfest jetzt zwar nicht meiden, hält eine gewisse Vorsicht aber für sinnvoll: „Wenn man einfach ein bisschen aufpasst und sich gründlich die Hände wäscht, glaube ich, dass man den Cannstatter Wasen gut überstehen kann.“

Festwirt Karl Maier ist jedenfalls nicht überrascht, dass sein Unternehmen nun freigesprochen ist von der Vermutung, an den Speisen oder Getränken habe es gelegen, dass so viele Menschen Magen- und Darmerkrankungen erlitten haben. „Wir hatten alle Abläufe gewissenhaft kontrolliert“, sagt Maier, „nach den Verdachtsfällen noch mehr als zuvor.“ Dass selbst die „Tagesschau“ über die Norovirus-Erkrankungen berichtet hat und Stuttgart in den Ruf geriet, eine Superspreader-Stadt zu sein, sei zwar nicht gut für den Ruf seines Betriebs gewesen, habe sich aber auch nicht negativ ausgewirkt. „Wir haben viel Solidarität erfahren“, freut sich Karl Maier, „es gab keine Stornierungen.“

Bei vielen der Betroffenen, die sich bei der Stadt mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall gemeldet haben, ist inzwischen das Norovirus als Ursache nachgewiesen. Macht sich der Ausbruch bereits in den Stuttgarter Krankenhäusern bemerkbar? Das Klinikum Stuttgart hatte am Wochenende „ein leicht erhöhtes Aufkommen von Patienten mit Bauchschmerzen“ in der Notaufnahme: „Von den Patienten wissen wir vereinzelt, dass sie das Frühlingsfest besucht haben“, sagt Klinikum-Sprecherin Anette Seiffert. Alle Patienten seien nur ambulant behandelt worden. „Also weiterhin ganz normaler Betrieb in Sachen Bauchschmerzen bei uns – auch in den letzten Tagen.“ Die meisten Erkrankten bleiben daheim. Matthias Orth, Chefarzt des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Marienhospital, gibt für sein Haus ebenfalls Entwarnung: „Norovirus-Nachweise hatten wir in letzter Zeit keine, wohl aber wenige Rotavirus-Nachweise“, sagt Orth. Anke Williams, Praxismanagerin der Notfallpraxis der Stuttgarter Ärzteschaft am Marienhospital berichtet, dass sie nach den Meldungen vom Frühlingsfest die Ärzte im Fahrdienst alarmiert habe: „Wenn sie zu Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden kommen, sollen sie sich bitte mit Masken schützen.“

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Erstellt:
25. April 2024, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
26. April 2024, 21:42 Uhr

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