Polizeieinsatz in Brüssel

Wasser auf die Mühlen rechter Verschwörungstheoretiker

Die Behörden in der belgischen Hauptstadt Brüssel sind gegen eine Konferenz rechtsnationaler Parteien vorgegangen.

Ein Polizist erklärt einem der Veranstalter des national-konservativen Treffens in Brüssel, dass die Veranstaltung aufgelöst werden müsse.

© Krohn/Krohn

Ein Polizist erklärt einem der Veranstalter des national-konservativen Treffens in Brüssel, dass die Veranstaltung aufgelöst werden müsse.

Von Knut Krohn

Nigel Farage ist sofort mit einer starken Meinung auf Sendung. Ein unvergleichlicher Skandal nehme in diesem Moment seinen Lauf, verkündet der britische Brexit-Star mit großer Geste über Social Media seinen Followern. Der Grund: während er sich auf der Bühne im Brüsseler Claridge-Center spitzzüngig über die Europäische Union mokierte, informierte die Polizei den Veranstalter darüber, dass die „National Conservatism Conference“ abgebrochen werden müsse.

Der Nährboden für Verschwörungsmythen

Gerüchte machen die Runde, gesicherte Informationen gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht – das ist der ideale Nährboden für Verschwörungsmythen. Hier werde die freie Rede unterdrückt, behauptet Nigel Frage gegenüber seinen Anhängern, er fühle sich erinnert an die „alte Sowjetunion“. In dieselbe Kerbe schlägt Viktor Orban. Ungarns Premierminister steht ebenfalls auf der prominenten Rednerliste des Treffens in Brüssel und er schreibt auf X (ehemals Twitter): „Das letzte Mal, als versucht wurde, mich mit Hilfe der Polizei zum Schweigen zu bringen, war im Jahr 1988 unter den Kommunisten.“ Und Orban schickt eine Prophezeiung hinterher: „Wir haben damals nicht aufgegeben, wir werden es auch jetzt nicht tun.“

Das Auftauchen der belgischen Polizei ist Wasser auf die Mühlen der in Brüssel versammelten national-konservativen Community. Praktisch jeder Redner im Claridge-Center betonte, dass man einen Kampf für die Meinungsfreiheit und für die Demokratie führe – an diesem Morgen konnten sie sich angesichts der anrückenden Staatsmacht bestätigt fühlen. Zumal die Veranstaltung kein Treffen irgendwelcher hoffnungsloser Querköpfe war. Auch Nigel Farage betonte, dass honorable Personen sprechen würden, wie etwa Viktor Orban. Der französische Rechtsaußen Eric Zemmour sollte auftreten und auch der in Deutschland umstrittene Parteigründer und Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen steht auf der Gästeliste.

Die Abneigung des Bürgermeisters

Völlig unter ging im wilden Durcheinander der Gerüchte, dass der Bürgermeister des Stadtteils Saint-Josse, Emir Kir, auch einige gute Gründe hatte, die Veranstaltung zu unterbrechen. Eines seiner Argumente war offensichtlich, dass er nicht für die Sicherheit der Anwesenden sorgen könne, denn es war für den späten Nachmittag eine Demonstration angekündigt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bürgermeister allerdings bereits zwei große Probleme. Zum einen fanden in Brüssel am Montag Bauernproteste statt, bei denen mit einer gewaltsamen Eskalation gerechnet werden musste. Zudem war der Großfürst aus Luxemburg zu Besuch beim König von Belgien. Das bedeutet, dass es an diesem Tag schlicht an Einsatzkräften fehlte, die Versammlung der National-Konservativen zu schützen. Allerdings machte der der sozialdemokratische Bezirksbürgermeister Kir auch keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die National-Konservativen. In Brüssel sei „die extreme Rechte nicht willkommen“, betonte er.

Das Aushöhlen der christlichen Wert

Solche Aussagen sorgten für einige Empörung unter den Anwesenden im Claridge-Center. Schnell setze sich im Saal die Lesart durch, dass der lokale Bürgermeister in einer Allianz mit der linksradikalen Antifa die Meinungsfreiheit unterdrücken wolle. Und diese Geschichte passte exakt in Reihe der Erzählungen, die an diesem Morgen bei allen Diskussionsveranstaltungen von den Rednern skizziert worden waren. In den Augen der National-Konservativen dienen Vereinigungen wie die Europäische Union oder auch die Vereinten Nationen vor allem dazu, die Nationen zu zerstören und die christlichen Werte auszuhöhlen. Dahinter steckt nach diesen Aussagen entweder die großen Bankenmacht, einige aberwitzig reiche Philanthropen, globale Wirtschaftsunternehmen, die radikale Linke – oder eine krude Mischung aus alledem.

Die Rechten sehen sich im Freiheitskampf

Das Treffen in Brüssel wird auf jeden Fall in die Annalen der „National Conservatism Conference“ eingehen, die seit 2019 jährlich in einem anderen europäischen Land ausgerichtet wird. Denn nur Stunden vor dem Start wurden die Veranstalter kurz nacheinander von zwei Hotels ohne Vorwarnung vor die Tür gesetzt. Der Polizeieinsatz im Claridge-Center war in diesem Sinne die letzte Bestätigung, dass sich die Bewegung in einem Freiheitskampf gegen die Unterdrückung der Redefreiheit befinde.

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Erstellt:
16. April 2024, 16:54 Uhr

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