Weltfrauentag: Große Frauen aus der Region Backnang mit großer Wirkung

Trotz der für sie schwierigen Bedingungen in der damaligen Zeit haben es auch Frauen aus der Region Backnang ins Licht der Öffentlichkeit geschafft. Zum Internationalen Frauentag stellen wir vier besonders erfolgreiche Frauen vor.

Die Unternehmerin und Politikerin Rosely Schweizer aus Murrhardt hat 2023 den deutschen Gründerpreis für ihr Lebenswerk erhalten. Archivfoto: Franziska Krug/German Select

© Getty Images for Deutscher Gruenderpreis

Die Unternehmerin und Politikerin Rosely Schweizer aus Murrhardt hat 2023 den deutschen Gründerpreis für ihr Lebenswerk erhalten. Archivfoto: Franziska Krug/German Select

Von Anja La Roche

Rems-Murr. Geschichten über erfolgreiche, einflussreiche Frauen in der Vergangenheit sollten nicht mit dem gleichen Maßstab gemessen werden wie die über erfolgreiche Männer zu jener Zeit. Immerhin sind sie trotz all der ihnen auferlegten Beschränkungen des Patriarchats aus der Anonymität herausgetreten und haben sich einen Namen gemacht, sind für etwas eingestanden. Zugleich sind vermutlich einige Frauen trotz ihres Erfolgs heute unbekannt, weil ihr Engagement nicht dokumentiert wurde. „In den Archivalien der Stadt Backnang kommen Frauen nur ganz selten vor“, sagt Backnangs Stadtarchivar Bernhard Trefz. „Und wenn sie in den Quellen vorkommen, dann eher als Anhängsel von Männern.“ Von den folgenden vier Frauen aus Backnang und der Region sind die Erfolgsgeschichten allerdings bekannt – und sollen anlässlich des Internationalen Frauentags erzählt und gewürdigt werden.

Karoline Schippert (1812 bis 1890): Vom Landmädchen zur Geschäftsfrau

Von den vier Persönlichkeiten ist Karoline Schippert die wohl unbekannteste – ihre sagenumwobene Geschichte ist aber auch am längsten her. Als Tochter eines armen Rotgerbers, der von Waldrems nach Murrhardt kam, erblickte Karoline Schippert 1812 das Licht der Welt. Als junge Frau zog es sie aber hinaus aus der Walterichstadt in die weite Welt, genauer: in die Weltmetropole Paris. Dort gelangte sie zu großem Reichtum und kehrte erst im Alter wieder in ihre Heimatstadt zurück.

Karoline Schippert hat in Paris großen Reichtum erlangt. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Karoline Schippert hat in Paris großen Reichtum erlangt. Archivfoto: Jörg Fiedler

Was genau in ihrer Zeit in Paris passierte, dazu gibt es vor allem Vermutungen. Elisabeth Sladek berichtet in ihrem Band „Lang, lang ist’s her. Murrhardter Erinnerungen“, dass sie nicht nur 100 Pferde besessen haben soll, sondern auch die sogenannten Pferdebahnen in Paris. „Madame Schippert“ soll dort außerdem ein großes Haus, Stallungen, Pferdeknechte und Bedienstete ihr Eigen genannt und Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten am Hofe unterhalten haben – man tuschelte sogar, sie sei eine Geliebte von Napoleon gewesen. „Doch das hat die Jacobina Schippert, Tante der Gattin Heinrich von Zügels, als Klatsch dementiert“, schreibt Thaddäus Troll in dem Buch „Murrhardt, die Stadt im Schwäbischen Wald“.

Es muss sich jedenfalls um eine geschäftstüchtige, kluge Frau gehandelt haben, die in einer Zeit zu Ruhm und Reichtum gelangte, in der es für Frauen schon ungewöhnlich war, einen Beruf auszuüben. Sie zeigte dadurch: Nichts war unmöglich, auch nicht für eine junge Frau im 19. Jahrhundert, die aus armen Verhältnissen stammt. In Erinnerung geblieben ist „Madame Schippert“ nicht nur als eine erfolgreiche Geschäftsfrau, sondern auch als eine, die ihr Hab und Gut großzügig in ihrer weitverzweigten Verwandtschaft in Murrhardt verteilte. Dort verstarb die Frau von Welt im Jahr 1890.

Felicitas Zeller (1867 bis 1947): Die erste Frau im Backnanger Gemeinderat

Felicitas Zeller hat in der Geschichte Backnangs eine besondere Rolle gespielt. „Sie war eine Vorreiterin“, sagt Stadtarchivar Bernhard Trefz über die Frau, die 1919 als erste Frau in den Backnanger Gemeinderat gewählt wurde. Nachdem sie 1922 nicht erneut als Stadträtin antrat, blieb das kommunale Gremium wieder für eine lange Zeit reine Männersache. Es dauerte ganze 46 Jahre, bis nach Felicitas Zeller eine weitere Frau zur Stadträtin gewählt wurde. „Das ist ein Wahnsinn“, kommentiert Trefz diese Tatsache, die man sich zur heutigen Zeit kaum mehr vorstellen kann.

Felicitas Zeller 1891 bei ihrer Hochzeit mit dem Arzt Heinrich Zeller. Foto: Stadtarchiv

© Stadtarchiv

Felicitas Zeller 1891 bei ihrer Hochzeit mit dem Arzt Heinrich Zeller. Foto: Stadtarchiv

Felicitas Zeller, geborene Wagner, kam 1867 zur Welt und wuchs in Markgröningen auf. Stephanie Eble schreibt in der Arbeit „Mit Freuden hindurch – Felicitas Zeller, die erste Frau im Backnanger Gemeinderat“ von einem braven Kind, das sich durch fleißiges Lernen auszeichnete und schon früh ihrem Vater in der Arztpraxis in der Sprechstunde oder beim Operieren aushalf. 1891 heiratete sie Heinrich Zeller, den sie schon von Kindesbeinen an kannte und der ebenfalls Arzt war. Im gleichen Jahr zogen sie nach Backnang, wo Heinrich Zeller eine Praxis eröffnete. So war Felicitas Zeller in Backnang vor allem als Arztfrau bekannt; sie war nicht nur treu sorgende Mutter von sieben Kindern und Gattin, sondern ihr oblag als Arzthelferin auch die Sorge für die Praxis ihres Mannes. Dazu hat sie sich stark in der Krankenkostverteilung und beim Roten Kreuz eingesetzt. Die Wohltätigkeit der gläubigen Christin äußerte sich auch darin, dass sie in den Nachkriegsjahren das Geld von den Patienten nicht einforderte, wenn diese ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. Und das, obwohl die Praxis sich selbst kaum über Wasser halten konnte.

1919 waren die ersten Wahlen, an denen Frauen teilnehmen durften. Felicitas Zeller war eine von insgesamt sieben Kandidatinnen, die sich in Backnang zur Wahl stellen ließen. Sie errang allerdings als einzige Frau einen Sitz. Auch wenn Christine Klenk mehr Stimmen als sie auf sich vereinen konnte, kam Zeller ihr vergleichsweise guter Listenplatz bei der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) zugute. Aus Briefen geht hervor, dass die damals 51-jährige Zeller von Selbstzweifeln geplagt war, doch am Ende stellte sie sich ihrer Verantwortung, als erste und einzige Frau im Gemeinderat die Geschicke Backnangs mitzugestalten. Dort wurde sie als Vertreterin der Frauen wahrgenommen und setzte sich vor allem für soziale Belange ein, wie sie es schon seit jeher getan hatte.

Anna Haag (1888 bis 1982): Pazifistin und Menschenrechtskämpferin

Weitere Themen

Zu den bedeutendsten Frauen im Südwesten zählt die Schriftstellerin und Politikerin Anna Haag, geborene Schaich. Sie wurde 1888 in Althütte als Tochter eines Lehrers geboren und wuchs dort mit vergleichsweise hoher Bildung auf, auch wenn sie, wie für Mädchen üblich, die Schule nicht abschließen durfte. Als Mutter und Schriftstellerin blieb sie lange Zeit unpolitisch. Im Frühjahr 1940 begann sie allerdings, ein Kriegstagebuch zu schreiben, in dem ihr Abscheu gegenüber dem Nationalsozialismus zum Ausdruck kommt. Ihr Wunsch, dass das Tagebuch als Chronik und Mahnung veröffentlich wird, ist erst spät nach ihrem Tod in Erfüllung gegangen: 2021 ist es bei Reclam unter dem Titel „Das Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode“ erschienen. „Ihre Werte verraten hat Anna Haag zeitlebens nicht, obwohl selbst enge Familienangehörige ... sich mit Leib und Seele zum Hitlertum bekannt haben“, schreibt Jennifer Holleis, die Herausgeberin des Tagebuchs. 2023 wurde sogar der baden-württembergische Literaturpreis in den Anna-Haag-Preis umbenannt.

Autorin und Politikerin Anna Haag in den 1960er-Jahren. Archivfoto: Silberburg-Verlag Tübingen

Autorin und Politikerin Anna Haag in den 1960er-Jahren. Archivfoto: Silberburg-Verlag Tübingen

In den Nachkriegsjahren engagierte sich Anna Haag vor allem für den Aufbau und Erhalt der Demokratie und des Friedens sowie für soziale Belange. Sie wurde 1946 als SPD-Mitglied in den Vorläufer des ersten baden-württembergischen Landtags gewählt. Ein wichtiges Anliegen war ihr, Frauen für die Politik zu begeistern, die sich damals eher als Hausfrauen ins Private zurückzogen. Sie gründete auch eine Wohn- und Arbeitsstätte für Frauen in Bad Cannstatt. Die Pazifistin brachte zudem 1947 den Initiativgesetzentwurf ein, nach dem niemand zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. Der Entwurf ging erweitert ins Grundgesetz ein.

Rosely Schweizer (geboren 1940): In der Wirtschaft zu Hause

Erst im vergangenen Jahr erhielt sie den deutschen Gründerpreis für ihr Lebenswerk: Rosely Schweizer hat sich als Unternehmerin und Politikerin einen großen Namen gemacht. Die 83-Jährige, die mit ihrem Mann Folkart in Murrhardt lebt, wurde als älteste Tochter des Unternehmers Rudolf-August Oetker in Hamburg geboren. Schon in jungen Jahren war sie eine selbstbewusste Frau, die sich durchsetzen konnte. So studierte sie Wirtschaft, obwohl ihr Vater zunächst dagegen war, und wurde eine erfolgreiche Unternehmerin. Als ihr Vater 2007 verstarb, übernahm sie, inzwischen bereits Großmutter, den Vorsitz im Beirat der einflussreichen Oetker-Gruppe.

Als prägendes Rollenvorbild bezeichnet Schweizer ihre Großmutter Käte Ahlmann, die in frühen Jahren schon 3.000 Mitarbeiter unter sich hatte, zu einer Zeit, in der das eigentlich undenkbar war. „Der Mann soll mir nicht seinen Platz in der Straßenbahn anbieten, sondern einen Platz in seinem Aufsichtsrat“, so eine der Weisheiten, die Schweizer von ihrer Großmutter lernte. Später benannte sie eine Stiftung, die junge Unternehmerinnen und Managerinnen unterstützt, nach ihrer Großmutter. „Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man Vorbilder hat“, sagt Schweizer.

Auch in der Politik setzte sich Schweizer für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ein. Ihre politische Laufbahn begann Mitte der 1980er mehr oder weniger per Zufall, als sie in Murrhardt auf dem Marktplatz gefragt wurde, ob sie nicht kandidieren wolle. „Ich bin einmal in den Gemeinderat und hab mir gedacht: So gut, wie die Herren das machen, kann ich das auch“, erzählt Schweizer. Später war die CDU-Politikerin fast zehn Jahre lang Abgeordnete im Landtag und wurde 1995 Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbands des Wirtschaftsrats. Sie war wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion und wichtige Ratgeberin für den späteren Ministerpräsidenten Günther Oettinger.

Zum Artikel

Erstellt:
8. März 2024, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Drei neue Projekte beim Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald

Beim Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald sind drei vom Land geförderte Projekte angelaufen: der Aufbau von Trekkingcamps, die Etablierung von Partnerschaften mit Betrieben und die Kräftigung von Böden durch Erhöhung des Humusgehalts. Das Team berichtet über Pläne und Hintergründe.

Jonas Becher (von rechts), Lars Goller und Maximilian Friedrich testen die neue Murmelbahn im Plattenwald. Fotos: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Die Murmelbahn im Plattenwald ist jetzt über 50 Meter lang

Der zweite Abschnitt der Kugelbahn im Backnanger Plattenwald wird nächste Woche fertig gebaut. Die inzwischen rund 50 Meter lange Bahn mitsamt Murmelautomat soll zum neuen Anziehungspunkt für Familien im Erholungsgebiet Plattenwald werden.

Stadt & Kreis

Kitaöffnungszeiten in Backnang auf dem Prüfstand

Backnanger Kita-Beirat will mit einer weiteren Umfrage unter allen Eltern von Kindern unter drei Jahren exakt ermitteln, welche Betreuungszeiten benötigt werden. Passgenaue Angebote sollen verhindern, dass Fachkräfte zu falschen Zeiten gebunden werden.