Droht dem VfB ein Machtvakuum?

Die organisierte Fanszene und weitere Mitglieder fordern den Rücktritt von Präsident Claus Vogt und Vizepräsident Rainer Adrion. Christian Riethmüller hat sich bereits aus dem Präsidium zurückgezogen. Daraus ergeben sich vereinspolitisch brisante Konstellationen und Szenarien.

Präsident Claus Vogt (links) und Vizepräsident Rainer Adrion blicken gespannt auf die nächste Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart.

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Präsident Claus Vogt (links) und Vizepräsident Rainer Adrion blicken gespannt auf die nächste Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart.

Von Carlos Ubina

Stuttgart - Vereinspolitisch geht es beim VfB Stuttgart turbulent zu. Im Zentrum der Kritik steht Präsident Claus Vogt. Nach wie vor fordern die organisierte Fanszene aus der Cannstatter Kurve und weitere Mitglieder seinen Rücktritt. Ebenso soll der Vizepräsident Rainer Adrion seinen Platz räumen. Christian Riethmüller ist bereits als Präsidiums- und Aufsichtsratsmitglied des Fußball-Bundesligisten zurückgetreten. Allein daraus ergeben sich Konstellationen und Szenarien, mit denen sich der Vereinsbeirat als steuerndes VfB-Gremium im Vorfeld der vorgezogenen Mitgliederversammlung am 28. Juli auseinandersetzen muss. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wird Präsident Claus Vogt zum Rückzug gezwungen?

Nein. Der Präsident hat mehrfach eindeutig zu verstehen gegeben, dass er sich nur gegenüber den Mitgliedern in der Verantwortung sieht – und nur sie sollen darüber entscheiden, ob er im Amt bleibt. Dazu braucht es für die Mitgliederversammlung einen formgerechten Antrag auf Abwahl. Der Versuch, Claus Vogt als VfB-Mitglied auszuschließen, weil er sich vereinsschädigend verhalten habe, läuft ins Leere. Zwar sind diesbezüglich mehrere Anträge beim VfB eingegangen, aber sie kommen nicht zum Tragen – weil ein solches Ausschlussverfahren im Grunde für Vereinsmitglieder vorgesehen ist, nach diversen Gerichtsurteilen jedoch nicht für Präsidiumsmitglieder gilt. In der Folge müsste das Präsidiumsmitglied also zuerst von der Mitgliederversammlung abgewählt werden, erst dann könnte das Präsidium das Vereinsausschlussverfahren einleiten.

Es läuft also auf eine mögliche Abwahl hinaus, in der sich mindestens 75 Prozent der Abstimmenden gegen Vogt aussprechen müssten. Das Gleiche gilt für Rainer Adrion. Der Vizepräsident will auf der Mitgliederversammlung unabhängig davon die Vertrauensfrage stellen. Eine solche ist in der Satzung nicht vorgesehen. Adrion beabsichtigt nach einer Mitgliederbefragung offenbar, sein Amt niederzulegen, wenn er weniger als die Hälfte an Zustimmung erhält. Diese Quote soll er sich selbst auferlegt haben.

Welcher Posten wird wie besetzt?

Zunächst soll nach dem Rücktritt von Christian Riethmüller eine klassische Nachwahl stattfinden. Die Bewerberfrist für den dritten Sitz im VfB-Präsidium läuft noch bis zum 29. April. Bis zu diesem Datum können sich Personen selbst bewerben oder vorgeschlagen werden. Um zugelassen zu werden, müssen sie die in der Satzung verankerten Bewerbungsvoraussetzungen erfüllen. Herr des Verfahrens ist der Vereinsbeirat. Die verbleibende Amtszeit für einen Nachrücker wäre bis zur Mitgliederversammlung 2025. Dann finden turnusgemäß Wahlen statt.

Bislang ist die Zahl der Interessenten auf die Riethmüller-Nachfolge überschaubar. Bewerbungen, die rein formal infrage kommen, gibt es noch keine. Aus diesem Grund macht der Vereinsbeirat bei verschiedenen Gelegenheiten auf das zu besetzende Amt aufmerksam und steht interessierten Mitgliedern, die ihren Hut in den Ring werfen wollen, für Fragen zur Verfügung. Gehen keine oder zu wenig satzungskonforme Bewerbungen ein, will das Gremium das weitere Vorgehen besprechen. Denn der Vereinsbeirat ist an keine Frist gebunden und könnte aktiv auf Personen zugehen, um geeignete Kandidaten zu präsentieren. „Einen entsprechenden Beschluss gibt es hierzu noch nicht“, sagt der Vereinsbeiratsvorsitzende Rainer Weninger.

Was passiert, wenn sich zunächst keine Kandidaten finden?

Findet sich auch durch eine Nachwahl kein Nachfolger für Christian Riethmüller, findet satzungsgemäß keine interimistische Einsetzung des Vereinsbeirats statt, da der Verein bis zur Mitgliederversammlung 2025 noch voll handlungsfähig ist. Aus der vereinspolitisch heiklen Lage ergeben sich nun im Vorfeld der Mitgliederversammlung Ende Juli weitere Szenarien, mit denen sich der Vereinsbeirat beschäftigt – je nachdem, ob es eine erfolgreiche Nachwahl gegeben hat, ob Vogt und Adrion im Amt verbleiben, ob nur einer von beiden abgewählt wird oder gar beide ihre Posten loswerden.

Werden der Präsident und sein Vize abgewählt, setzt der Vereinsbeirat bis zu zwei Präsidiumsmitglieder vorübergehend ein. Entsprechend gegebenenfalls nur eine Person, wenn einer von beiden gehen muss oder ein Nachfolger für Christian Riethmüller gewählt wurde. Die unterschiedlichen Optionen werden durch das Nachwahlergebnis beeinflusst. Die interimistische Nachbesetzung kann aus den Reihen des Vereinsbeirats stammen oder von außerhalb.

Rückt jemand aus dem Vereinsbeirat in das Präsidium auf, muss diese Person ihr ursprüngliches Amt ruhen lassen. Eine Doppelfunktion ist nicht zulässig. Dies war 2019 nach dem Rücktritt von Präsident Wolfgang Dietrich bereits der Fall. Hans H. Pfeifer wechselte vorübergehend aus dem Vereinsbeirat in das Präsidium, wo er mit dem damaligen Vizepräsidenten Bernd Gaiser die Geschäfte führte. Auch Adrion wurde im Februar 2021 zunächst interimsweise in das Präsidium entsandt, ehe er ein halbes Jahr später gewählt wurde.

Sollte Vogt sein Amt verlieren, müsste unverzüglich eine Mitgliederversammlung einberufen werden. Erklärt sich niemand aus dem Verein bereit, das Präsidenten- oder ein Präsidiumsamt zu übernehmen, droht der Gang vor das Amtsgericht. Dieser Fall erscheint unwahrscheinlich. Das Gericht würde dann bis zur nächstmöglichen außerordentlichen Mitgliederversammlung einen Amtsverweser einsetzen.

Welche Aufgaben stehen noch an?

Es laufen zudem die üblichen Vorbereitungen auf eine Mitgliederversammlung. „Alles muss nur schneller gehen, da die Mitgliederversammlung ursprünglich für den Herbst terminiert war“, sagt der Vereinsbeiratsvorsitzende Rainer Weninger.

Der Finanzplan und der Jahresabschluss werden erstellt, die Ehrungen werden vorbereitet, und es wird ein Vorschlag der Satzungskommission erwartet. Darin soll es um die Auflösung der bestehenden Zirkelbezüge gehen. Im Moment ist es beim VfB so, dass der Vereinsbeirat die Präsidentschafts- und Präsidiumskandidaten vorschlägt und andersherum der Präsident mit bei der Vorauswahl der Bewerber für den Vereinsbeirat eingebunden ist. Vor diesem Hintergrund hatte eine Initiative bereits im vergangenen Jahr eine Satzungsänderung beantragt – und scheiterte knapp. Die Idee war es, einen Wahlausschuss einzuführen.

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Erstellt:
23. April 2024, 22:12 Uhr
Aktualisiert:
24. April 2024, 22:00 Uhr

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