„Wir denken groß, bleiben aber auf dem Boden“

Atakan Karazor spricht über die Chancen des VfB Stuttgart gegen Meister Bayer Leverkusen und über die Zukunft seines Clubs.

Atakan Karazor hat sich beim VfB Stuttgart zur unumstrittenen Stammkraft entwickelt. Atakan Karazor hat sich beim VfB Stuttgart zur unumstrittenen Stammkraft entwickelt.

© Baumann/Hansjürgen Britsch

Atakan Karazor hat sich beim VfB Stuttgart zur unumstrittenen Stammkraft entwickelt. Atakan Karazor hat sich beim VfB Stuttgart zur unumstrittenen Stammkraft entwickelt.

Von Dirk Preiß

Stuttgart - Atakan Karazor gehört zu den dienstältesten Spielern im Kader des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart – und will, dass der Club sich nach dieser starken Saison wieder als „gute Mannschaft“ etabliert. Dass er selbst daran mitwirken will, steht für den Mittelfeldspieler außer Frage.

Herr Karazor, kurz vor Saisonbeginn saßen wir exakt in diesem Raum auf exakt diesen Stühlen zusammen . . .

. . . und erinnern Sie sich? Ich habe schon damals gesagt, dass ich bezüglich der kommenden Saison ein gutes Gefühl habe.

Das hätte auch trügen können.

Stimmt, aber eigentlich habe ich immer ein gutes Gespür dafür, ob etwas passt – oder eben nicht so sehr. Und damals hatten wir eine gute Phase zum Ende der Saison 2022/2023 mit dem neuen Trainer Sebastian Hoeneß hinter uns, eine gute Vorbereitung. Und wir hatten uns gut verstärkt.

Also war Ihnen schon damals klar, dass der VfB vier Tage vor dem Ende der Spielzeit fast sicher einen Startplatz in der Champions League innehat?

(Lächelt) Natürlich nicht. Dass es so gut läuft, konnte damals niemand ahnen oder gar erwarten.

Warum ist es doch so gekommen?

Weil wir einfach eine super Mannschaft haben. Auf dem Feld, im Training, aber auch abseits des Fußballs. Man hört so etwas ja immer wieder, und letztlich können es nur diejenigen beurteilen, die direkt beteiligt sind. Aber in diesem Fall stimmt es wirklich. Und das schließt die vielen Menschen um das eigentliche Team mit ein. Es passt einfach so gut wie alles zusammen, wir haben gute Spieler, einen starken Trainer – und jede Menge Ehrgeiz, sodass auch die meisten Trainingseinheiten richtig gut sind.

Reicht das alles auch, um an diesem Samstag (18.30 Uhr) zu schaffen, was noch keinem Team in dieser Saison gelungen ist: Bayer Leverkusen zu besiegen?

Das wird man sehen. Ich bin aber sicher, dass wir das Zeug dazu haben. Wenn einer in dieser Saison Bayer Leverkusen die Stirn geboten hat, dann waren wir das.

Beim 1:1 im Hinspiel und beim unglücklichen 2:3 im Pokal.

Genau. Wir hätten beide Spiele auch gewinnen können. Im Nachhinein ist es fast ein bisschen ärgerlich, dass wir es da nicht schon geschafft haben. Wir sind in dieser Saison Leverkusen spielerisch nahe gekommen. Ich habe auf jeden Fall große Lust auf das Spiel.

Die Leverkusener gehen als neuer deutscher Meister in die Partie, sind immer noch ungeschlagen. Ihr Team hat zuletzt 1:2 bei Werder Bremen verloren.

Aber das haben wir aufgearbeitet und nun abgehakt. Wir haben nicht unser bestes Gesicht gezeigt in Bremen, haben kein gutes Spiel gemacht – und: Die Gegner stellen sich immer besser auf uns ein.

Und Sie bekommen dann Schwierigkeiten?

Wir haben schon im Januar festgestellt, dass die Gegner genau analysiert hatten, wie wir, zum Beispiel, von hinten herausspielen – und immer versuchen, Mittel dagegen zu finden. Lange Zeit haben wir es aber richtig gut gemacht und haben Lösungen gefunden. Werder hat nun wieder ein bisschen was anderes versucht.

Und was bedeutet das für diesen Samstag?

Dass wir uns wieder neue Lösungen ausdenken müssen. Der Trainer hat uns aber schon zu Beginn der Trainingswoche welche mit auf den Weg gegeben. Zudem hat er noch einmal darauf hingewiesen, dass wir einfach immer hundert Prozent geben müssen. Ich bin daher sicher, dass wir auch diesmal die richtige Reaktion auf ein etwas schwächeres Spiel zeigen werden. Wir wollen wieder auf die Siegerstraße einbiegen.

Ist die Lust auf die Champions League eigentlich groß?

Wir wissen, dass wir noch vier schwierige Spiele vor uns haben. Aber wir wissen auch, dass wir da jetzt auch zugreifen, den letzten Schritt gehen wollen.

Schauen Sie und Ihre Kollegen auf das Performance Ranking der Uefa? Der fünfte Startplatz für die Bundesliga ist nah, dann wäre der VfB schon für die Königsklasse qualifiziert.

Darauf wollen wir uns nicht verlassen – und das würde auch nicht zu unserer ehrgeizigen Mannschaft passen. Wir denken groß, bleiben aber auf dem Boden. Also wollen wir es aus eigener Kraft schaffen, nicht durch die Hilfe von Bayern, Dortmund und Leverkusen.

Champions League, Neu-Nationalspieler, Vertragsverlängerungen mit wichtigen Spielern – erkennen Sie den VfB eigentlich wieder?

Tatsächlich hat sich zuletzt einiges getan, wir haben aber schon in den vergangenen drei, vier Jahren begonnen, etwas aufzubauen. Nun hoffe ich, dass der Großteil der Mannschaft zusammenbleibt. Dann kann ich auch wirklich sagen, dass sich etwas grundsätzlich verändert hat beim VfB.

Wie meinen Sie das?

Na ja, ich bin jetzt seit 2019 hier – und nach jeder Saison musste ich mich von einigen sehr guten Spielern verabschieden. Daher hoffe ich nun, dass aus dieser tollen Mannschaft möglichst viele bei uns bleiben. Ich sehe aber auch, dass der Club durch die Vertragsverlängerungen dafür gesorgt hat, dass er gut dasteht, wenn doch Stammspieler den Verein verlassen.

Wie blicken Sie denn auf die nähere Zukunft?

Für mich geht es nicht darum, dass wir nächste Saison gleich wieder ganz oben mitspielen oder uns fix wieder für Europa qualifizieren müssen. Was mir aber wichtig ist: dass wir wieder eine gute Mannschaft, einen guten Kern haben und uns in der Breite wappnen für die vielen Spiele, die wir haben werden. Ich möchte, dass wir den VfB weiter gut repräsentieren können. Das war in den vergangenen zehn Jahren nicht immer so, aber nun merkt man: Wir, der VfB, werden wieder positiv wahrgenommen. Man hat, sicher auch in Europa, Stuttgart wieder auf dem Zettel.

Und wenn doch einige wegstreben?

Dann gönne ich es ihnen von Herzen. Jeder soll es so weit nach oben schaffen wie möglich – und ich weiß ja auch, dass es hier kein Wunschkonzert ist. Ich habe einerseits ein gutes Gefühl, was unsere Transferpolitik angeht. Ich bin sicher, dass wir uns bei Abgängen auch wieder gut verstärken würden.

Und andererseits?

Glaube ich nicht, dass ein Spieler für ein paar Euro mehr das aufgibt, was wir hier aufgebaut haben. Ich weiß, im Profibusiness geht es auch ums Geld. Und wenn einer ein Angebot hat, das gleich mehrere Generationen seiner Familie absichert, bin ich der Erste, der sagt: Mach es! Geh!

Ihr Vertrag läuft noch bis 2026.

Ich weiß, was ich hier habe, der VfB ist zu meinem Verein geworden. Und wenn ich in Stuttgart bleiben kann, dann will ich auch hierbleiben. Geld ist wichtig, aber Geld ist nicht alles. Sich wohlzufühlen ist mir persönlich sehr wichtig.

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Erstellt:
26. April 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
27. April 2024, 21:55 Uhr

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