Zahlung für Flüchtlingsschiff gestoppt

Das Regierungspräsidium hat Bedenken wegen der vom Gemeinderat beschlossenen Spende zur Seenotrettung. Nun ist eine Sondersitzung nötig.

Das Rettungsschiff „Sea-Watch“ hat Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet. Derartige Schiffe werden auch von deutschen Kommunen unterstützt.

© epd/Thomas Lohnes

Das Rettungsschiff „Sea-Watch“ hat Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet. Derartige Schiffe werden auch von deutschen Kommunen unterstützt.

Von Konstantin Schwarz

Stuttgart - Vergangene Woche hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt entschieden, jährlich 10 000 Euro für ein Schiff zur Seenotrettung im Mittelmeer zur Verfügung zu stellen – so, wie es zum Beispiel Konstanz und Mannheim seit Jahren tun. OB Frank Nopper (CDU) hatte wie die Fraktionen von CDU, FDP, Freien Wählern und AfD gegen den Antrag gestimmt, weil er ihn für „rechtlich sehr bedenklich“ hielt.

Der Zuschuss sei ein Anreiz für Schleuser, hatte Nopper in der Sitzung zudem erklärt. Er werde aber den Beschluss umsetzen und ihm nicht widersprechen, weil er nicht eindeutig rechtswidrig erscheine, so der OB. Den Antrag hatten Grüne, SPD, Linksbündnis, die Fraktion Puls und die Einzelstadträtin Sibel Yüksel gestellt.

Die Rechtsaufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Stuttgart (RP), forderte nach dem Beschluss eine Stellungnahme der Stadt an. „Die Berichterstattung über das Leid der Flüchtlinge im Mittelmeer lässt niemanden unberührt. Das Regierungspräsidium schätzt daher das humanitäre Engagement der Stadt Stuttgart, Menschen in Not zu helfen“, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Nachvollziehbar sei deshalb auch der Wunsch des Gemeinderats, den Verein Sea-Eye e. V. zur Seenotrettung 2024 und 2025 mit jährlich 10 000 Euro zu unterstützen.

Allerdings setzen die gesetzlichen Regelungen des Kommunalrechts „klare Grenzen in Hinblick auf das Tätigwerden von Kommunen“. Aus Sicht der Aufsichtsbehörde handele es sich bei dem Beschluss zur Übernahme einer Patenschaft für ein Seenotrettungsschiff mit jährlich 10 000 Euro „nicht um eine spezifisch auf Stuttgart als Gemeinde bezogene Angelegenheit, sodass diese nicht in den örtlichen Wirkungskreis der Stadt fällt“. Darüber hinaus sei der Beschluss „nicht mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vereinbar“.

Daher habe das Regierungspräsidium dem OB empfohlen, „der Beschlussfassung des Gemeinderats nach Paragraf 43 Absatz 2 der Gemeindeordnung zu widersprechen“. Im den Regelwerk heißt es, der Bürgermeister müsse Beschlüssen des Gemeinderats widersprechen, wenn er der Auffassung sei, dass sie gesetzwidrig seien.

Nopper reagierte umgehend. Er werde aufgrund der nun eindeutigen Feststellung widersprechen. Damit muss der Gemeinderat erneut über die Angelegenheit beschließen, und zwar innerhalb von drei Wochen. Weil das Gremium regulär erst am 18. April tagt, hat der OB für den 8. April um 8.30 Uhr zu einer außerordentlichen Sitzung eingeladen.

Die Rechtslage, so das RP, wäre gegebenenfalls anders zu bewerten, wenn eine Unterstützung nicht unmittelbar der Seenotrettung oder einem Schiff für diesen Zweck zugutekäme, sondern „Projekte mit konkretem örtlichem Bezug zur Unterstützung von Flüchtlingen gefördert würden“. Das RP macht dazu Vorschläge: Dies könnten beispielsweise ein örtliches Veranstaltungsprogramm oder eine örtlich aktive zivilgesellschaftliche Gruppe sein, „wodurch thematisch ein Bogen von der Seenotrettungstätigkeit zu den Herausforderungen und Chancen von Flucht, Migration und Integration für die Kommune vor Ort gespannt werden könnte“. Eine derartige Unterstützung dürfte – selbstverständlich auch in diesem Fall abhängig vom konkreten Einzelfall – „als kommunale Aufgabe grundsätzlich zulässig sein“. Unbedenklich wäre, so die Behörde, zudem das gezielte Werben für Spenden durch Gemeinderäte für Rettungsschiffe im Mittelmeer.

Eine weitere Möglichkeit, die Spende doch noch umzusetzen, hatte in der Sitzung CDU-Fraktionschef Alexander Kotz aufgezeigt. Er sprach sich mit den gleichen Argumenten wie Nopper zwar grundsätzlich gegen diese Art der Seenothilfe aus. Aber: „Über eine städtisches Unternehmen hätte man das rechtlich sauber regeln können“, sagte Kotz. Eine städtische GmbH oder AG könnte das Geld womöglich spenden. In Konstanz und Mannheim hatten die zuständigen Regierungspräsidien Karlsruhe und Freiburg die Spenden nicht geprüft.

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Erstellt:
29. März 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
30. März 2024, 22:00 Uhr

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