Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Rems-Murr. „Personalnot, das ist deutschlandweit das Hauptproblem“, bekennt Sabine Laible. „Davon ist keine Einrichtung verschont“, sagt die Geschäftsführerin der Stiftung Altenheime Backnang und Wildberg, zu der die Häuser Staigacker und Johannes-Brenz-Haus sowie das Pflegestift Bürgerheim und das Pflegestift Am Langenbach in Waldrems mit insgesamt rund 300 Plätzen in Backnang gehören. „Jede Einrichtung trifft es immer mal wieder. Das heißt ja nicht, dass man dauerhaft im Personalnotstand ist, aber immer wieder zeitweise“, präzisiert Sabine Laible.

„Aktuell gehts grad“, sagt die Geschäftsführerin zur momentanen Situation, „aber vor drei Wochen hats noch anders ausgesehen. Das ändert sich wirklich ständig.“ Der Grund? „Es kommt einfach auf die Krankheitssituation an. Wenn zu viele Pflegekräfte zeitgleich krank werden, können wir das inzwischen nicht mehr abfangen.“ Früher sei das noch gegangen, heute aber nicht mehr. Und was ist, wenn so eine Krankheitswelle kommt? „Dann kommt man wirklich in die Bredouille. Wenn man die Möglichkeit hat, Betten frei zu lassen, tut man das natürlich als Allererstes“, erklärt Sabine Laible und fügt gleich an: „Wenn aber die Plätze schon belegt sind, dann muss man über die Zeitarbeit schauen, dass man die Versorgung gewährleisten kann.“

Zur momentanen Belegung sagt die Geschäftsführerin: „Aktuell haben wir ein paar Betten, wo wir gesagt haben, die lassen wir frei, weils im Personal ein bisschen knapp ist.“ Kleinere Einrichtungen treffe die Personalnot halt gleich viel heftiger als große Häuser. „Aber diese Woche siehts wieder deutlich besser aus, sodass wir Betten jetzt wieder belegen, die wir eine Weile frei gelassen haben.“ Sabine Laible sagt aber auch: „Wenn ich die Bewohner habe und versorgen muss und mir fehlen so viele Kräfte, dann bleibt einem gar nichts anderes übrig, als auf Leasing-Arbeitnehmer, also Fremdarbeitskräfte, zurückzugreifen.“ Von den Kosten her sei es in diesen Fällen deutlich mehr, als wenn man eigene Kräfte zur Verfügung hätte.

Wenn nach Tarif bezahlt wird, wird eine Pflegekraft nicht schlecht bezahlt

Eine Lösung für das Problem hat die Stiftungsgeschäftsführerin spontan auch nicht parat. Aber sie sagt: „Eigentlich gehört es verboten, dass Pflegekräfte über Agenturen vermittelt werden können. Denn wenn die alle fest in Pflegeeinrichtungen im Einsatz wären, würde es in diesen Häusern wieder besser aussehen.“ Sabine Laible sieht aber auch ein grundsätzliches Problem: „Im Großen und Ganzen gibts einfach zu wenig Personal, egal ob ich jetzt Leasingkräfte mitrechne oder nicht.“

Dass es zu wenige Pflegekräfte gibt, liegt nach Meinung der Staigacker-Chefin nicht an der Entlohnung. „Wenn nach Tarif bezahlt wird, egal ob es der diakonische Tarif ist oder die kirchliche Anstellungsordnung oder der TVöD, wird eine Pflegekraft nicht mehr schlecht bezahlt. Da liegt sie wirklich im guten Mittelfeld, wenn man beispielsweise Handwerksberufe anschaut.“ Aber der Ruf sei noch immer schlecht. „Klar, die Arbeitsbedingungen sind nicht die besten. Im Pflegeheim muss man immer da sein. Schichtarbeit lässt sich da gar nicht verhindern.“ Da gebe es Nachtdienste und Wochenendarbeit. „Das sind andere Rahmenbedingungen als bei einem Bürojob, wo ich Montag bis Freitag tagsüber im Büro bin und mein freies Wochenende hab und auch meine freien Feiertage“, so Sabine Laible.

Wer für erkrankte Mitarbeitende einspringt, erhält eine Prämie

„Wir hatten einen guten Start mit der Inbetriebnahme des Pflegestifts Backnang in der Gartenstraße“, sagt Frank El-Banany. „Wir haben unser Team neu aufgestellt und derzeit sind alle Betten wie geplant belegt“, so der Regionalleiter der Dienste für Menschen gGmbH weiter. Er sei für vier Pflegeeinrichtungen in Rems-Murr-Kreis verantwortlich. „Sich gegenseitig zu unterstützen, war schon immer selbstverständlich. Das Einspringen für erkrankte Mitarbeitende wird bei Dienste für Menschen mit Prämien honoriert. Das ist eng mit unserer Mitarbeitervertretung abgestimmt.“ Frank El-Banany weist darauf hin, dass die Gesetzgebung eine Aufwertung des Berufs Altenpflegehelfer/-in vorsieht. Die einjährige Qualifizierung dazu würde einen festen Arbeitsvertrag in seinem Haus mit sich bringen sowie ein Grundgehalt von 2990 Euro (Württemberg) plus Zuschläge. „Und es ist der erste Schritt, um sich weiterzuqualifizieren“, so der Regionalleiter.

„Auch an uns geht der Personalnotstand nicht vorbei“, erklärt Lisa Ros. Die Personalleiterin des Vereins Haus Elim Sozialwerk der Volksmission mit elf Einrichtungen im Rems-Murr-Kreis, darunter in Auenwald und Burgstetten, ist froh und dankbar, dass ihre Einrichtungen in der Pflege derzeit gut besetzt sind. „Deutlich spüren wir den Notstand derzeit im Hauswirtschaftsbereich.“ Sie merke deutlich, dass Stellen sehr schwer nachzubesetzen seien und diese deshalb länger frei bleiben würden.

Was der Verein Haus Elim dagegen tut? „Meistern können wir diesen Zustand nur gemeinsam als Team, das diese Lücken abfängt, zusammenhält und durchhält“, sagt Lisa Ros und ergänzt: „Wir tun natürlich alles dafür, offene Stellen nachzubesetzen, machen auf unterschiedlichsten Wegen Werbung, zahlen Anwerbungsprämien für Mitarbeitende und bieten Mitarbeitenden attraktive Benefits, die über eine angemessene Entlohnung hinausgehen.“ Fremdarbeitskräfte seien bislang noch nicht notwendig gewesen. „Wir haben ein hausinternes Ausfallmanagement und helfen mit Mitarbeitenden gegenseitig an den jeweils anderen Standorten aus.“ Diese Art des Engagements der Mitarbeitenden wird auch honoriert: „Im Rahmen des Ausfallmanagements gibt es prozentuale Zuschläge auf den Stundenlohn und wir haben unsere Einspringprämie deutlich erhöht.“

Neues Arbeitsmodell und Prämien helfen dabei, die Personalnot zu verringern

Mit dem neuen Arbeitsmodell „Flex im Alex“ und Prämien will das Alexander-Stift die Personalnot verringern. „Der massive Personalmangel führt dazu, dass im Alexander-Stift viele Pflegeplätze nicht belegt werden können und Zimmer leer stehen“, erklärt Geschäftsführerin Gaby Schröder. Um den Pflegebetrieb aufrechtzuerhalten, müsse oft auf Zeitarbeitsfirmen zurückgegriffen werden. Doch mit sogenannten Flex-Mitarbeitenden könne der Notstand gemildert werden. Flex-Mitarbeitende sind fest angestellte Pflegekräfte, die an festgelegten Tagen in anderen Häusern des Alexander-Stifts in der Region aushelfen.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Sicherheit einer Festanstellung in einem vertrauten Team und gleichzeitig Abwechslung und flexible Dienstpläne. Und uns als Träger hilft dieses Modell, die hohen Kosten für Zeitarbeit zu senken“, sagt Gaby Schröder. Denn nach Angaben der Berliner Krankenhausgesellschaft kostet eine Zeitarbeitskraft das Zwei- bis Zweieinhalbfache einer fest angestellten Pflegekraft.

Das Alexander-Stift berücksichtigt bei der Dienstplanung die individuellen Wünsche und Lebensumstände der Flex-Beschäftigten. Für ihre Einsatzbereitschaft erhalten sie bis zu 600 Euro monatlich zusätzlich zum attraktiven Tarifgehalt.

Alexander-Stift unter den zehn besten Ausbildungsbetrieben

Studie Das Alexander-Stift gehört zu den zehn besten deutschen Ausbildungsbetrieben in der Größe 501 bis 1000 Beschäftigte. Das hat eine Studie im Auftrag des Handelsblatts ergeben.

Übernahmequote Pluspunkte sammelte das Alexander-Stift durch die hohe Übernahmequote der Auszubildenden sowie die regelmäßige Weiterbildung der Ausbilder.

Strukturen Weitere Pluspunkte für den Sprung auf Platz 8: „Die Auszubildenden werden früh in die Alltagsstrukturen des Unternehmens eingebunden“, sagt Studienleiter Johannes Higle vom Marktforschungsinstitut SWI Human Resources.

Berufe Im Alexander-Stift lernen 82 junge Menschen in sechs verschiedenen Berufen. Auch dual Studierende sind darunter. Über 90 Prozent der Auszubildenden bestehen ihre Prüfungen.

Tarif Die Auszubildenden werden nach Tarif bezahlt, erhalten durchschnittlich 30 Tage Urlaub und eine betriebliche Altersvorsorge.

Ranking Das SWI hat im Auftrag des Handelsblatts knapp 2.400 Unternehmen untersucht und im Ranking „Beste Arbeitgeber 2023“ zusammengefasst.

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Erstellt:
28. März 2024, 06:00 Uhr

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